Der Sinn in der Arbeit ergibt keinen Sinn

Ingo Hamm zeigt in seinem neuen Buch „Sinnlos glücklich“ neue Wege der Psychologie und Philosophie, um dem Unsinn mit dem Sinn zu entkommen. Er erklärt dabei, wie man im Arbeitsleben ohne Sinn auskommt. Denn es ist die Tätigkeit an sich, die glücklich macht, wenn man das tut, was man gerne macht und immer schon gut konnte. Laut Ingo Hamm ist nun die Zeit für einen „Existenzialismus der Arbeit“ gekommen. Dort bestimmen pures Erleben, Freiheit und Selbstbestimmung den Beruf. Wie eine Umfrage des Job-Netzwerks Xing ergab, legen Menschen großen Wert darauf, dass ihr Job sinnstiftend ist. Gehalt und Status liegen bei vielen nicht mehr an erster Stelle. Der Purpose ist der neue Heilige Gral des westlichen Arbeitslebens. Dr. Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt.

Die Psychologie kennt keinen Sinn

Ingo Hamm stellt fest: „Die meisten Jobs, die vierfarbig-hochglänzend Sinnerfüllung versprechen, sind ausgemachter Etikettenschwindel.“ Für den Autor ist das Purpose-Konzept nicht sinnvoll, sondern grenzdebil, geradezu irre. Dennoch ist Sinn voll im Trend. Ingo Hamm glaubt aber, dass der Trend ein Manipulationsversuch ist, mit dem Arbeitnehmer letztendlich für dumm verkauft werden sollen. Nicht die Sinnfrage entscheidet Schlachten, Karrieren und das Schicksal der Welt, sondern gewissenhafte Arbeit. Nämlich Arbeit, die man gerne und deswegen gut erledigt – und das, was man damit erreicht: Impact.

Die Psychologie kennt keinen Sinn. Sie befasst sich mit Motiven und Bedürfnissen, Antreibern und Neurosen. Der Sinn ist irrelevant, denn die Motivation treibt die Motivation treibt die Menschen an. Ingo Hamm betont: „Motive, Interessen und Bedürfnisse treiben uns an – und diese funktionieren ganz ohne Sinn! Was eine harte Erkenntnis ist.“ Denn sie bedeutet: Wer nach dem Sinn des Lebens sucht, sucht vergebens. Wer den Sinn sucht, weiß nicht, wie das Leben voranschreitet.

Selbstverwirklichung entspricht in der Philosophie dem Existenzialismus

Alle Menschen wollen sich selbst verwirklichen. Deshalb ist Selbstverwirklichung ein starker psychologischer Antrieb, ein urmenschliches Entwicklungsprogramm. Das ist die psychologische Perspektive. Man kann Selbstverwirklichung aber auch philosophisch betrachten, und zwar mit deutlichem Bezugspunkt zum Freiheitsbegriff. Selbstverwirklichung in der Philosophie ist quasi deckungsgleich mit dem sogenannten Existenzialismus. Dieser propagiert die Freiheit im Dasein und dies insbesondere bei der eigenen Entwicklung und der eigenen Arbeit.

Gibt es eine Alternative zu einem sinnerfüllten Leben? Ingo Hamm beantwortet die Frage mit Nein. Denn es gibt nicht eine, sondern Dutzende. Der Sinn zeigt alle oder auf jeden Fall die zentralen Eigenschaften einer Fähigkeit: Je besser sie trainiert wird, desto besser wird man damit und dabei. Sinn ist nicht die Tätigkeit. Sinn ist das, was man daraus macht. Das gilt übrigens auch für etwas anderes: das Leben an sich. Ein durch und durch sinnvolles Leben ist für Ingo Hamm durchaus möglich, nein: machbar.

Sinnlos glücklich
Wie man auch ohne Purpose Erfüllung bei der Arbeit findet
Ingo Hamm
Verlag: Vahlen
Gebundene Ausgabe: 259 Seiten, Auflage: 2022
ISBN: 978-3-8006-6759-8, 26,90 Euro

Von Hans Klumbies