Dumpf ist mächtig, aber Wach ist noch mächtiger. Dumpf will keine unabhängigen, individuellen Gedanken. Wach steht auf die eigenen kreativen Ideen aller, und tut alles, um das Selbstdenken zu teilen und zu vernetzen. Rebekka Reinhard fügt hinzu: „Wach arbeitet individuell-sozial wider die verblödete Vernunft. Es öffnet Filterblasen und Echokammern nicht mit der Brechstange, sondern mit einer spielerischen Haltung.“ Wach rebelliert gegen die Versteifung und handelt, bevor es bereit dazu ist. Es fordert nicht Heroismus, sondern „spielt“ den Helden – und bewirkt eben dadurch Großes. Die Logik des Computers ist zu Dumpf, um Wach zu kapieren. Wach ist ein Kind des philosophischen Pragmatismus. Wie Skinners behavioristische Technologie ist die pragmatische Methode eine höchst einflussreiche amerikanische Erfindung. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.
Pragmatisten setzen auf einen aktiven Individualismus
Beide setzen auf Experimente, um das menschliche Denken, Fühlen und Handeln zu beeinflussen. Sie wollen die Kultur und die Gesellschaft verändern. Aber anders als Skinner beanspruchen Pragmatisten nicht, irgendjemanden zu einem vorausbestimmten Ziel hinsteuern zu können. Sie bauen nicht auf den Menschen als Teil einer dumpfen Herde, die sich mit Belohnungen in die gewünschte Richtung lenken lässt. Sondern sie setzen sich für einen aktiven Individualismus der Vielen ein.
Pragmatisten versuchen nicht, die Vielschichtigkeit von Welt und Mensch zu vereindeutigen und zu kontrollieren. Sie sehen das Universum vielmehr als Werkzeug, um die Ideen der Menschen zu schärfen. Sie akzeptieren, dass sich die Welt auf ein unbestimmtes Ziel hin entwickelt. Pragmatisten rechnen mit einer Realität voller Zufälle, Überraschungen und Unvorhersehbarkeiten. Sie kleben nicht an bewährten Dogmen und sind daher bereit ihre Meinungen zu revidieren.
Menschen sind keine fantasielosen Maschinen
Pragmatisten sind offen für andere Fragen, andere Möglichkeiten. Sie sind auch dafür, Tradition und Gegenwart in kreativer und anarchischer Weise neu zu verknüpfen. Wach denkt mit dem Herzen, mit der Seele einer Künstlerin, eines Künstlers. Begleitet wird dieses Denken von starken Emotionen, die verwirren und eben deshalb in die Zukunft führen. Wach ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Haltung. Rebekka Reinhard erläutert: „Wach ist das, was jenseits von Null und Eins liegt.“
Was kann der Mensch? Menschen sind viel mehr als nur Bündel messbarer Verhaltensweisen. Sie sind keine fantasielosen Maschinen der Informationsverarbeitung. Menschen haben mehr drauf als die Logik von Computern. Sie können aus den Binaritäten, die sie erstarren lassen und einengen, ausbrechen. Der Begründer der Kybernetik, Norbert Wiener (1894 – 1964) schrieb: „Wir werden nie die richtigen Antworten auf unsere Fragen erhalten, wenn wir nicht die richtigen Fragen stellen.“ Quelle: „Wach denken“ von Rebekka Reinhard
Von Hans Klumbies