Eine Studie, die den seelischen Zustand von einer Million Dänen auswertete, zeigte: Wer als junger Mensch umgeben von Parks, Wiesen oder Wälder aufwuchs, hatte als Erwachsener eine bis zu 55 Prozent geringere Gefahr, psychisch zu erkranken. Dirk Steffens und Fritz Habekuss ergänzen: „Eine amerikanische Studie wies nach, dass Probanden eine deutlich niedrigere Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut hatten, wenn sie täglich zwanzig bis dreißig Minuten im Grünen waren. Japanische Wissenschaftler wollen sogar eine erhöhte Konzentration von Immunzellen im Blut gemessen haben, wenn Versuchspersonen eine Nacht lang Luft einatmeten, in der von Pflanzen produzierte Terpene zerstäubt wurden. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.
Die Natur ist eine Quelle der Gesundheit
Andere Untersuchungen zeigen, dass Menschen bei einem Spaziergang in der Natur weniger negative Gedanken haben, als wenn sie durch die Stadt gehen. Menschen, die in der Nähe von Grün leben, sind zudem weniger einsam und erkranken seltener an Diabetes, chronischen Schmerzen und Migräne. Naturerlebnisse wirken auf Menschen wie Medizin, das gilt insbesondere für Kinder. Sie sind kreativer, gesünder und selbstbewusster. Zudem lernen sie besser und sind später erfolgreicher, wenn sie regelmäßig in der Natur spielen und Kontakt zu Tieren haben.
Die Natur ist für die Menschen also entscheidend als Quelle der Gesundheit und des Wohlbefindens. Im Angesicht ihrer Schönheit und Wunders empfinden sie Freude und Staunen. Das ist eine Chance für ihren Schutz und damit für die Verteidigung der menschlichen Lebensgrundlagen. Bislang argumentieren sogar Umweltschützer vor allem mit dem geldwerten Nutzen, den der Schutz von Umwelt hat. Das Konzept der Ökosystemleistungen ist der Versuch, Natur mit den Mitteln der Ökonomie zu erfassen.
Es gibt keinen Preis für eine singende Amsel
Die Natur wird in Wert gesetzt und mit einem Preisschild versehen. Damit ist sie für Politiker und die Mächtigen in den Chefetagen messbar und wird damit überhaupt erst interessant. Seitdem weiß die Menschheit: Die Natur schenkt Jahr für Jahr Leistungen, die das Bruttosozialprodukt aller Volkswirtschaften um die Hälfte übersteigen. Aber nicht alles, was kreucht und fleucht, lässt sich ökonomisch bewerten. Was ist zum Beispiel der Preis einer singenden Amsel? Diese Frage ist erkennbar unsinnig.
Lebendiges hat keinen Preis, sondern einen Wert. Eine Amsel ist ein Individuum, dessen einzigartige Existenz sich nicht in Euro ausdrücken lässt. Sollte sie dann nicht auch ein unveräußerliches Recht haben, als Individuum zu existieren? Sollte ein Fluss dagegen klagen können, wenn er vergiftet wird? Weltweit gibt es eine wachsende Bewegung, die genau das fordert: der Natur Rechte zu verleihen. Ökosystemleistungen und Rechte sind zwei Ansätze, die auf unterschiedliche Art versuchen, Umwelt zu schützen. Quelle: „Über Leben“ von Dirk Steffens und Fritz Habekuss
Von Hans Klumbies