Das deutsche Bildungssystem funktioniert nicht, wie es sollte. Für die Frage, wie viel Geld einer nach Hause bringt, spielt der Berufsabschluss eine zentrale Rolle. Wer ein Uni-Diplom hat, verdient in Deutschland im Durchschnitt 70 Prozent mehr als ein Realschüler, der eine Lehre macht. Alexander Hagelüken fügt hinzu: „Jedes Jahr, das ein mittelalter Arbeitnehmer vor seinem Job länger mit seiner Bildung verbringt, zahlt sich für ihn aus: Mit einem zehn Prozent höheren Einkommen.“ Das macht schnell den Unterschied zwischen einem mäßig bezahlten Job und einem Platz in der Mittelschicht. Wenn sich der Verdient so stark nach dem Abschluss richtet, ist natürlich entscheidend, wovon es abhängt, welchen Abschluss einer macht. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.
Der Staat hilft benachteiligten Kindern zu wenig
Dabei zeigt sich ein dramatisches Gefälle: Mehr als drei Viertel aller Akademikerkinder studieren, aber nicht einmal ein Viertel aller Arbeiterkinder. Und die Unterschiede beginnen schon früher, viel früher: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Akademikerkind das Gymnasium besucht, war schon in den Nullerjahren siebenmal so hoch wie bei einem Jugendlichen aus einem Arbeiterhaushalt. Selbst wenn Schüler mit genau gleichen Kompetenzen verglichen werden, besuchen Akademikerkinder mit viermal so großer Wahrscheinlichkeit das Gymnasium wie Jugendliche aus dem falschen Viertel der Stadt.
Offensichtlich ist es nicht nur eine Frage der Fähigkeiten, auf welche Schule jemand geht. Und offensichtlich hilft der Staat benachteiligten Kindern zu wenig, ihre Startnachteile zu überwinden. Denn die Chancen sind völlig unfair verteilt. Offenbar hängt nicht nur von den Fähigkeiten ab, ob sich ein junger Mensch Qualifikationen erwirbt, um mehr zu verdienen. Sondern von der Herkunft. Und zwar bei Männern deutlich stärker als bei Frauen. Die Unterschiede entstehen früh. Kinder Alleinerziehender, die häufiger arbeitslos und schlechter ausgebildet sind, fallen in Mathematik bereits mit zehn Jahren gegenüber Kinder aus Paarfamilien zurück.
Die Bildungsleistungen hängen stark vom Elternhaus ab
Alexander Hagelüken stellt fest: „Einkommensschwächeren fehlt es generell an Mitteln, Kitas oder Nachhilfestunden zu bezahlen. Starke Ungleichheit erschwert es Familien der Arbeiter- und unteren Mittelschicht grundsätzlich, in Bildung und Qualifikation zu investieren.“ Die Neoliberalen liegen seiner Meinung nach ohnehin falsch, wenn sie die Ungleichheitsdebatte auf Chancengerechtigkeit reduzieren wollen. Sie klammern den Reichtum aus, der manchen ohne eigene Leistung vererbt wird und anderen nicht.
Laut Alexander Hagelüken gibt es in der Bundesrepublik Deutschland keine Chancengerechtigkeit. Das Bildungssystem könnte eine Schlüsselrolle spielen, die Ungleichheit zu verringern, indem es den Benachteiligten hilft. Indem es sozialen Aufstieg in die Mittelschicht ermöglicht. Ludger Wößmann, Leiter des Zentrums für Bildungsökonomie am Ifo-Institut, sagt: „Bessere Bildung erhöht das Einkommen. Wenn Bildungsleistungen stark vom Elternhaus abhängen, klaffen auch die späteren Einkommen weit auseinander.“ Quelle: „Das gespaltene Land“ von Alexander Hagelüken
Von Hans Klumbies