Kinder können den Eltern sehr gut tun

Zwei jüngere Freundinnen von Karl-Markus Gauß haben jetzt, ehe es zu spät für sie geworden wäre, doch noch Kinder bekommen. Er freut sich für sie, nicht weil er glaubt, dass es die Berufung der Frau wäre, Mutter zu werden. Vielmehr weil Karl-Markus Gauß erfahren hat, wie gut einem Kinder tun können. Ihn haben die seinen von der schweren Krankheit des Zynismus, der ihn an Leib und Seele zu zersetzten drohte, geheilt. So haben sie ihn vor dem selbst verschuldeten Untergang gerettet. Wer Kinder hat, kann sich nicht gemütlich in seinem Weltverdruss einrichten. Ebenso wenig darf er als Kollaborateur des Missglückenden darauf setzen, dass die Dinge ihn schon in der schlechten Meinung, die er von ihnen hat, bestätigen werden. Karl-Markus Gauß lebt als Autor und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ in Salzburg. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet.

Kinder erschaffen ihre Eltern neu

Jeder weiß, dass man Kindern als Gutenachtgeschichte nicht erzählen darf, dass die Welt ungerecht sei und von gewissenlosen Schurken beherrscht werde. Auch darf man nicht erwähnen, dass das Gute eine Niederlage nach der anderen erleidet und sich alle Menschen dereinst zu Staub verwandeln. Menschen neigen dazu, eines Tages selbst zu glauben, was sie erzählen. Deshalb sind sie schließlich überzeugt, dass die schöneren Geschichten, die sie sich für ihren Kinder einfallen ließen, die wahren sind.

So entwickeln sich die Kinder zu den Eltern ihrer Eltern, indem sie diese durch ihr schlichtes Hiersein neu erschaffen. Die Zukunft im Gefrierschrank hat längst begonnen. Facebook und Google kündigen ihren Mitarbeiterinnen einen Zuschuss für den Fall an, dass sie ihre Eizellen einfrieren. Denn damit deponieren sie ihre Zukunft im Gefrierschrank und können ihren Firmen länger ihre ganze Arbeitskraft zuteilwerden lassen. Nicht die Arbeitskraft soll sich gemäß den Bedürfnissen der Frauen verändern.

Karl Lagerfeld wollte nie Kinder haben

Sondern man will den biologischen Lebensboden den Anforderungen des Betriebs entsprechend austricksen. Karl-Markus Gauß stellt fest: „Was wir zu begreifen haben: Es ist leichter, die Natur des Menschen zu manipulieren, als die sozialen Verhältnisse zu verändern. Der ökonomische Verwertungszwang erweist sich als unveränderlich, er ist Naturgesetz ohne Natur.“ Was man verändern kann, ist die Natur selbst, und wenn Menschen etwas gelernt haben, dann folgendes: Was immer möglich ist, setzt man in die Praxis um.

Der berühmte Modeschöpfer Karl Lagerfeld wollte nie Kinder haben. Er erklärte: „Entweder sind sie besser als ich oder schwächer. Beides wäre furchtbar.“ Den Narziss kränkt, wenn seine Kinder ihn an Ansehen, Können, Begabung übertreffen. Aber es kränkte ihn ebenso, würden sich ausgerechnet aus den seinen keine außergewöhnlichen Menschen entwickeln. An Karl Lagerfeld findet Karl-Markus Gauß nichts zu tadeln. Er weiß um seine Antriebskräfte und hat das Richtige getan. Quelle: „Die Jahreszeiten der Ewigkeit“ von Karl-Markus Gauß

Von Hans Klumbies