Man kann lange leben, wenn man sich – wie beim Fasten – nur etwas bescheidet. Wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit können die in der Gegenwart lebenden Menschen mit einem langen Leben rechnen. Also lohnt es sich auch, in dieses lange Leben in jeder nur möglichen Weise zu investieren. Sei es geistig, psychisch, physisch oder sozial. Horst Opaschowski weiß: „Unter allen westlichen Industriegesellschaften weist Deutschland die stärkste Alterung auf. Drastischer Geburtenrückgang lassen uns von einer alternden Gesellschaft sprechen.“ Diese kann in naher Zukunft allenfalls durch Zu- und Einwanderung gemildert, aber nicht mehr gestoppt werden. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.
Deutschland wird grau
Die demographische Entwicklung in Deutschland hat zwei widersprüchliche Gesichter: Deutschland wächst und Deutschland schrumpft. Noch nie haben in der Bundesrepublik Deutschland so viele Menschen gelebt wie heute. Mit rund 83 Millionen Einwohnern gehört das Land mittlerweile zu den zwanzig bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Andererseits sterben in Deutschland deutlich mehr Personen, als Kinder auf die Welt kommen. Das Geburtendefizit steigt weiter an. Deutschland wird immer älter.
Diese demographische Entwicklung lässt sich auch durch die deutlich jüngeren Zuwanderer nicht stoppen. Kurz: Deutschland wird grau. Solange noch zu wenige Kinder auf die Welt kommen und gleichzeitig die Lebenserwartung ständig zunimmt, altert die Gesellschaft als Ganzes. Die Wahrscheinlichkeit der Hochaltrigkeit und Langlebigkeit nimmt in Deutschland für viele Menschen zu. Die Lebenserwartung der Deutschen steigt jedes Jahr um zwei bis drei Monate. Alle zwei Wochen verlängert sich das Leben um ein langes Wochenende.
Die Zahl der Hundertjährigen nimmt explosionsartig zu
Von den Neugeborenen des Jahres 2019 wird jeder Zweite in hundert Jahren noch am Leben sein. Vor dreihundert Jahren hat jedes zweite Neugeborene nicht einmal das Erwachsenenalter erreicht. Die „Grauen Giganten“ kommen, deren Lebensspanne über das hundertste Jahr hinausreicht. Im Jahr 1965 bekamen 225 Hundertjährige in Deutschland ein persönliches Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten und einen Scheck überreicht. Seither nimmt die Zahl der Hundertjährigen in Deutschland fast explosionsartig zu.
Langlebigkeit entwickelt sich in der Bundesrepublik zu einem Teil der Normalität. Die Angst vor dem Verlust der Lebensqualität im höheren Alter verliert immer mehr an Bedeutung. Die zunehmende Langlebigkeit erklärt sich wesentlich aus einschneidenden Veränderungen des Lebensstils vieler Menschen. Dazu zählt Horst Opaschowski insbesondere ihre Ernährungsgewohnheiten in Verbindung mit gesünderen Umweltbedingungen und Fortschritten in der Medizin. Das Faktum der immer älter werdenden Gesellschaft ist historisch etwas Neues. Zum Beispiel dankte Karl V. mit 55 Jahren restlos erschöpft als Greis ab. Quelle: „Wissen, was wird“ von Horst Opaschowski
Von Hans Klumbies