Es gibt keine unwiderruflichen Entscheidungen

Bei Personen scheint man zu glauben, dass sie einige der Dinge, die sie in Wirklichkeit gar nicht tun, tun können. Einfach so und ohne dass vorher etwas anderes geschehen muss. Was bedeutet das? Es bedeutet vielleicht unter anderem Folgendes: Nichts von dem, was bis zu dem Punkt geschieht, an dem man sich entscheidet, legt unwiderruflich fest, welche Entscheidung man trifft. Thomas Nagel schränkt allerdings ein: „Einiges von dem, was geschieht, ist von vorneherein festgelegt.“ Zum Beispiel scheint von vorneherein festzustehen, dass morgen zu einer bestimmten Stunde die Sonne aufgeht. Es besteht keine „offene Möglichkeit“, dass die Sonne morgen nicht aufgeht und es einfach Nacht bleibt. Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel lehrt derzeit unter anderem an der University of California, Berkeley und an der Princeton University.

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Frank. P. Ramsey war seiner Zeit weit voraus

Die Konzepte über Wahrscheinlichkeit des Genies Frank. P. Ramsey wurden 50 Jahre lang beinahe völlig ignoriert. Aber warum? Jonathan Aldred erklärt: „Zunächst einmal erschienen Ramseys Ideen als ein posthumer Beitrag zur Philosophie der Überzeugungen.“ Sie wurden von Ökonomen und anderen, die an praktischen Anwendungen einer Wissenschaft der Gesellschaft interessiert waren, nicht gelesen. Und Frank P. Ramsey war seiner Zeit wirklich meilenweit voraus. Die existierenden Theorien und Denker konnten mit seinen Ideen zur Mathematik, Ökonomie und Philosophie erst in den 1960er-Jahren etwas anfangen und sie weiterentwickeln. In den 1920er-Jahren erkannten niemand die wahre Originalität und Bedeutung seiner Arbeit. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

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Alles hängt mit allem zusammen

Das infizierte Denken ist eine Kurzanleitung von Anders Indset für alle und niemanden. Sie ist geschrieben für eine neue Generation der Denkenden und für den Tag danach. An jenem Tag, an dem die Menschen mit gedanklichen Sprüngen und Widersprüchlichkeiten klarkommen. Anders Indset ergänzt: „An jenem Tag, an dem wir aus der Geschichte lernen und zu zugleich hinterfragen.“ Es ist auch jener Tag, an dem die Menschen aufhören, nur ihre persönlichen Erfahrungen zum Maßstab zu machen. Dann hören sie auch auf zu hören, was sie hören wollen und beginnen endlich zuzuhören. Anders Indset fordert: „wir brauchen eine holistische Auseinandersetzung mit der Welt, wie wir sie sehen, und ein Verständnis für deren Interdependenz. Alles hängt mit allem zusammen, mit einer einhergehenden Entkopplung.“ Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

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Das Limit des Zumutbaren wird neu justiert

Offensichtlich sind heute viele Menschen mehr denn je damit beschäftigt, das Limit des Zumutbaren neu zu justieren. Doch fährt sich der Diskurs darüber zunehmend fest. Liberale und Egalitäre, Rechte und Linke, Alte und Junge, Betroffene und Nicht-Betroffene stehen sich unversöhnlich gegenüber. Svenja Flaßpöhler stellt fest: „Der Effekt dieser Frontalstellung ist eine zunehmende Erosion der demokratischen Diskurskultur.“ Dabei entsteht ein kaum noch zu kittender Riss, der sich mitten durch die Gesellschaft zieht. Umso dringender ist zu fragen, wo ein Ausweg gefunden werden kann. Die aktuelle Situation ist mit der Genese des modernen Subjekts unauflöslich verbunden. Nämlich mit der zunehmenden Sensibilisierung des Selbst und der Gesellschaft. „Sensibel“ das meint: empfindlich, fühlbar, empfänglich. Svenja Flaßpöhler ist promovierte Philosophin und Chefredakteurin des „Philosophie Magazin“.

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Der Liberalismus muss sich reflexiv regenerieren

Im Zeitalter der Philosophen, der Aufklärung, geboren, hält der neuzeitliche Liberalismus ein weiteres Element für unverzichtbar. Zum Erfahrungsbezug, zu dem legitimatorischen Individualismus und dem freien Spiel der Kräfte innerhalb von Verfassung und Recht tritt eine handlungsrelevante Selbstkritik, sichtbar im Willen, sich angesichts neuer Herausforderungen zu verändern. Otfried Höffe stellt klar: „Ohne dieses Element, eine reflexive Regeneration ist der Liberalismus nicht zukunftsfähig; vor allem verdient er ohne es nicht, als aufgeklärt zu gelten.“ So hat sich der in Europa dominante Liberalismus längst um politische Mitwirkungsrechte und um freiheits- und demokratiefunktionale Sozialrechte erweitert. Otfried Höffe fordert die Grundelemente des Liberalismus in einer interkulturell verständlichen Sprache zu legitimieren. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Das Individuum muss sich selbst erhöhen

Friedrich Nietzsche hat das Christentum immer wieder scharf kritisiert. Dabei schätzte er die Gottesvorstellung als lebensfeindlich ein. Nach dem Tod Gottes muss der Mensch folgenden Leistungen vollbringen. Friedrich Nietzsche schreibt: „Das Individuum steht da, genötigt zu einer eigenen Gesetzgebung, zu eigenen Künste und Listen der Selbst-Erhaltung, Selbst-Erhöhung, Selbst-Erlösung.“ Oder mit einem Wort Zarathustras: „Ich nahm euch Alles, den Gott, die Pflicht – nun müsst ihr die größte Probe einer edlen Art geben.“ Christian Niemeyer erklärt: „Den Hervorhebungen Nietzsches zufolge wäre das Übermenschen-Konstrukt also in der praktischen Philosophie zu beheimaten. Und dies mit dem Auftrag, jener Gefahr des Nihilismus entgegenzutreten.“ Lesen freilich will gelernt sein, Friedrich Nietzsche lesen ohnehin, aber auch ganz allgemein. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an. der TU Dresden.

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Jeder sollte die Kunst des Verstehens erlernen

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 01/2023 kreist um die Frage: „Kannst du mich verstehen?“ Denn verstanden zu werden, ist existenziell. Wenn auf Dauer keine Verbindung zwischen Innen und Außen besteht, ist Gefahr im Verzug. Auch auf der gesellschaftlichen Ebene erleben die Deutschen gerade, wie tief der Spalt sein kann, den wechselseitiges Unverständnis erzeugt. Auf kein Verständnis zu stoßen, führt im persönlichen Bereich zu Frustrationen, auf der gesellschaftlichen Ebene gar zu Hass. Umso dringender ist es, die Kunst des Verstehens zu erlernen, die Voraussetzungen ihres Gelingens zu kennen. Theresa Schouwink schreibt: „Generell fällt es leicht, in der sogenannten polarisierten Gesellschaft eine Krise des Verstehens zu diagnostizieren.“ Auch das Verstehen über Generationen hinweg, zwischen rücksichtslosen „Boomern“ und übersensiblen „Schneeflocken“, scheint zunehmen schwierig.

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Friedrich Nietzsche verkündet den Tod Gottes

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) verkündet öffentlich den Tod Gottes. Er steht damit eher am Ende als am Beginn einer langen Geschichte banger und finsterer Ahnungen. Diese nahmen ihren Anfang schon ein Jahrhundert zuvor. Ger Groot weiß: „Schon 1796 hatte der deutsche Romancier und Publizist Jean Paul in seinem Roman „Siebenkäs“ einen Text aufgenommen, der seiner Zeit weit voraus war.“ Er lässt darin den toten Christus vom Weltgebäude herab reden, dass es keinen Gott gibt. Jesus sprach zu den gestorbenen Kindern: „Wir sind alle Waisen, ich und ihr, wir sind ohne Vater.“ Das erinnert unvermeidlich daran, was Friedrich Nietzsche gut achtzig Jahre später in „Die fröhliche Wissenschaft“ schreibt. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Markus Gabriel kennt die moralischen Grundregeln

Wenn Begriffe unklar und verschwommen sind, begeht man leicht logische Fehler. Markus Gabriel stellt fest: „Es gelingt uns dann nicht, gut begründete und im besten Fall wahre und kohärente Meinungen zu formulieren. Besonders schlimm, weil lebensweltlich folgenreich, ist dies im Bereich der praktischen Philosophie, in der es um unser Handeln geht.“ Viele Menschen haben nur eine verschwommene Vorstellung von Glück, Moral, Pflichten und Rechten. Sie begehen genau deswegen oft Fehler, weil sie die grundlegenden Definitionen dieser Begriffe nicht überblicken. Eine der Hauptaufgaben der Philosophie ist deshalb die Begriffsklärung. Diese ist spätestens seit Immanuel Kant eng mit dem modernen Ideal der Aufklärung verbunden. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Regelverstöße gehören zum Sozialleben dazu

Normen haben zwangsläufig etwas Starres, Unverbindliches, Fixiertes, etwas Stures. Sie sind damit stets auch etwas Überforderndes und Illusionäres. Richard David Precht erläutert: „Sozialverhalten und Moral aber leben von Grauzonen, von Verhalten, das man nicht so genau kennt. Es lässt sich nicht normieren wie die Größe von Nägeln oder Schrauben.“ Wo wirkliche Menschen leben, gehört der Regelverstoß zum Sozialleben dazu. Schon was überhaupt ein Regelverstoß ist, ist hochgradig kulturell bedingt. Wer in Beirut über eine rote Ampel fährt, wird von der Polizei dafür nicht belangt. In Bayreuth dagegen ist das Risiko höher. Der Grund dafür ist klar. Würde sich die Polizei in Beirut um Verstöße bei Fußgängern kümmern, käme sie zu nichts anderem mehr. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Eine schöne Umgebung färbt auf den Menschen ab

Was ein Mensch schön findet, färbt auf ihn selbst ab. Er fühlt sich bejahenswerter in einer schönen Umgebung als in einer unschönen. Gegen diese müsste er anleben, wofür er Energie aufzuwenden hätte, statt welche aufnehmen zu können. Eine Landschaft steht ihm nicht nur vor Augen, sondern schlüpft gleichsam in ihn hinein. Wilhelm Schmid erklärt: „Vermutlich vermittelt von Spiegelneuronen des Gehirns, nehmen Gefühle und Gedanken das Gleichmaß dessen an, was aus subjektiver Sicht objektiv zu sehen ist. Eine schöne Landschaft, die einen Menschen mit ihrer Stimmigkeit umfängt, kann daher ein apollinisches Leben inspirieren.“ Die schöne Landschaft beruhigt zudem den Einzelnen: „Du musst dein Leben nicht ändern.“ Denn es genügt sie zu betrachten, um von ihr verändern zu lassen. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin.

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Es gibt keinen Kampf der Kulturen

In den letzten Jahren ist viel über die religiösen Unterschiede diskutiert worden. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle sonstigen Unterschiede bedeutungslos sind. Und erst recht können sie nicht als einzig relevantes Kriterium zur Einteilung der Menschheit gelten. Wenn man die Weltbevölkerung nach Religionen unterteilt, nutzt man stillschweigend das Trennende einer übergeordneten Klassifikation. Man will dadurch die Menschen unverrückbar in ein starres Schema pressen. Amartya Sen erklärt: „Die Schwierigkeiten mit der These vom Kampf der Kulturen beginnen lange, bevor wir zum Problem des unausweichlichen Kampfes kommen. Sie beginnen mit der Annahme, dass die Menschheit in erster Linie in ausgeprägte und klar voneinander abgrenzbare Kulturen unterteilt werden kann.“ Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Die Wahrheit kann dem Frieden dienen

Für Friedrich Nietzsche ist der Intellekt vor allem „ein Mittel zur Erhaltung des Individuums“. Dieser ermöglicht es dem „Mängelwesen“ Mensch im Daseinskampf zu bestehen. Er spricht davon, dass der Intellekt „gerade nur als Hilfsmittel den unglücklichsten, delikatesten, vergänglichsten Wesen beigegeben ist, um sie eine Minute im Dasein festzuhalten.“ Axel Braig stellt fest: „Damit vertritt Nietzsche die Ansicht, dass der Mensch die Neigung hat, bestimmte Annahmen vor allem dann als wahr zu erachten, wenn sie im Überlebenskampf nützlich erscheinen.“ An anderer Stelle spricht Friedrich Nietzsche davon, dass die Vorstellung von Wahrheit dazu dienen kann, den Menschen im Krieg aller gegen alle einen Friedensschluss zu ermöglichen. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Hybris ist die Stellung des Menschen zur Natur

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich in Deutschland eine radikale Kulturkritik. Warum gerade in Deutschland? Silvio Vietta antwortet: „Weil dieses Land zu dieser Zeit eine Phase der akzelerierten Industrialisierung und Technisierung durchläuft.“ Bereits Friedrich Nietzsche kritisiert diese Form der Modernisierung radikal. Er nennt das darin waltende Verhältnis des Menschen zur Natur, zu Gott wie zum Menschen Hybris, das heißt Anmaßung, Überheblichkeit. Nach Friedrich Nietzsche nimmt sich das ganze moderne Sein, soweit es nicht Schwäche, sondern Macht und Machtbewusstsein ist, wie lauter Hybris und Gottlosigkeit aus. Hybris ist heute die ganze Stellung des Menschen zur Natur. Dazu gehört die Vergewaltigung der Natur mit Hilfe der Maschinen und der Erfindungen der Techniker und Ingenieure. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Die Aufklärer sahen den Mensch als Teil der Natur

Der englische Philosoph Jeremy Bentham konnte die Welt und den Menschen nur noch rationalistisch und zweckorientiert begreifen. Für Philipp Blom war der verbohrte Aufklärer dadurch grandios unmenschlich. Die Romantik rebellierte gegen solche Vorstellungen. Sie wollte die Natur nicht nur als Materialsammlung für Wertsteigerung und Profit begreifen. Sie sprach ihr eine eigene raunende Stimme zu. Philipp Blom stellt fest: „Dieser Kontrast zwischen taghellem Rationalismus und dämmriger Romantik ist zweifellos übertrieben. Auch und gerade Aufklärer sahen schließlich den Menschen als Teil der Natur.“ Der Franzose Julien Offray de La Mettrie ging sogar so weit, den Menschen selbst als natürliche Maschine zu beschreiben. Nämlich als rein biologischen Mechanismus ohne Ziel und Zweck. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford.

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In Deutschland herrscht das Verbot der Folter

Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht und selbst schlichteste Zuschauer und Leser wissen, dass man die Wahrheit verhüllen kann. Entweder wenn Zeugen lügen oder Spuren verloren gegangen sind. In diesem Fall spaltet sich die Wirklichkeit auf in eine spannungsgeladene Beziehung. Es gibt dann eine lebensweltliche Wahrheit und eine fiktiv erzeugte Wahrheit. Eine „Gerechtigkeitsagentur“ bemüht sich dann, beides in Übereinstimmung zu bringen. Thomas Fischer erklärt: „Tatsachen können nicht unabhängig vom Erkenntnisprozess selbst und vom Erkennungsinteresse gedacht werden.“ Wenn man zum Beispiel das Folterverbot als Beispiel für eine Verfahrensregel nimmt, ergeben sich schwierige Fragen. Strafrechts-historisch war die Folter („peinliche Befragung“) ein Anliegen der Rationalität. Sie wandte sich von ersichtlich unzuverlässigen Beweismethoden ab und eine Ermittlung der Wahrheit durch Geständnis zu. Thomas Fischer war bis 2017 Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.

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Die Moderne ist ein Vorgang von Revolutionen

Mit seiner berühmten „Kehre“ meint Martin Heidegger, dass die Menschen in der Neuzeit einer tiefgreifenden Wende im Seinsverständnis ausgesetzt sind. Heute bezeichnet man diesen Tatbestand auch als Globalisierung. Markus Gabriel fügt hinzu: „Die Moderne ist in der Tat ein Vorgang von Revolutionen, also von Kehren. Dahinter erkennt Martin Heidegger ein einheitliches Muster.“ Dieses Muster folgt der Idee, dass alles, was es gibt – alles Seiende –, letztlich ein Gegenstand ist. Matin Heidegger meint nun, dass die Moderne von sich aus darauf schließt, dass man alles auf ihre begrifflichen Regeln verpflichten kann. Denn alles was es gibt, ist seiner Meinung nach etwas, worüber man im Grunde genommen wahre Aussagen treffen kann. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Thomas Nagel stellt den Skeptizismus vor

Man kann auf der Grundlage der Inhalte des eigenen Bewusstseins nicht wissen, dass es außerhalb seiner eigenen keine andere Welt gibt. Vielleicht ist die richtige Schlussfolgerung eine bescheidenere. Nämlich dass man über seine Eindrücke und Erlebnisse hinaus nichts weiß. Es mag eine Außenwelt geben oder auch nicht geben. Und wenn es eine solche gibt, so mag sie völlig anders sein als sie einem erscheint – oder wiederum auch nicht. Thomas Nagel stellt fest: „Wir können dies in keiner Weise entscheiden. Diese Auffassung nennt man „Skeptizismus“ in Bezug auf die Außenwelt.“ Selbst eine stärkere Form des Skeptizismus ist möglich. Ähnliche Argumente scheinen zu zeigen, dass man nichts über seine Existenz und seine Erlebnisse in der Vergangenheit weiß. Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel lehrt derzeit unter anderem an der University of California, Berkeley und an der Princeton University.

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Es gibt ein Primat des Sinnlichen

Der Spiegel und sein Mechanismus tragen das Geheimnis des Sinnenlebens in sich. Emanuele Coccia erklärt: „Ein Bild lässt sich weder jemals auf den Ort der Wahrnehmung noch auf den Existenzort der Sache reduzieren. Ein Bild ist immer in irgendeiner Weise auswärtig, es ist das Außerhalb-sein der Welt und der Dinge.“ Das Sinnenleben, jenes Leben, das jedes Bild in sich birgt, ist diese Möglichkeit der äußeren Auslagerung, die alle Dinge haben. Umgekehrt ist das Sinnenleben möglich. Denn die Formen besitzen die eigentümliche Fähigkeit, dauerhaft auswärtig sein zu können. Es gibt fast so etwas wie ein Primat des Bildes über die Vorstellungskraft. Nämlich ein Primat des Sinnlichen über das Empfinden, und zwar nicht nur bezogen auf die zeitliche Abfolge. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Menschen sehnen sich nach Gewissheit

In Begrenzungen und Zweifeln sehen sich die meisten Menschen nach Eindeutigkeit. Sie wollen mehr Gewissheit, als ihnen möglich ist. Menschen hoffen auf eine bessere Zukunft und vertrauen ihren Mitmenschen. Sie staunen und erleben Geheimnisse. Sie suchen zu vergessen und zu vergeben. Paul Kirchhof fügt hinzu: „Ein Mensch, der nicht hoffen kann, der nicht nach dem Besseren, auch nach dem Unerreichbaren strebt, fiele in eine Leere, die den Sinn seines Lebens in Frage stellte.“ Hoffnungslosigkeit nähme seiner Freiheit einen wesentlichen Impuls und würde den Aufbruch zu Fortschritt und Erneuerung ersticken. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Die Zeit ist immer da

Zeit kann man weder sehen noch hören, weder schmecken, riechen noch fühlen. Sie ist immer da, mit uns, ohne uns und ist in das Leben der Menschen und in die Natur eingebunden. Nämlich als Wechsel, Rhythmus, Zyklus. Daniel Goeudevert ergänzt: „Tag und Nacht, Aussaat und Ernte, Ebbe und Flut, Frühling, Sommer, Herbst und Winter bestimmen das Leben der Menschen über viele Jahrtausende.“ Zeit, das war für eine lange Phase der Menschheitsgeschichte vor allem das Wetter. Doch dann löste sich die Zeit aus allen Lebenswirklichkeiten heraus und begann unabhängig von aller Natur zu ticken. Irgendwann im Verlaufe des 12. Jahrhunderts entstieg die Uhr aus dem Dunkel des Mittelalters. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Es tobt kein weltweiter Kampf der Kulturen

Es sieht für Markus Gabriel so aus, als gebe es mehr oder weniger deutlich voneinander abgegrenzte Kulturen. Die Grenzziehung zwischen Kulturen scheint außerdem häufig mit den Grenzen von Nationalstaaten verbunden zu sein. Man spricht landläufig etwa von einer deutschen, chinesischen, amerikanischen oder russischen Kultur. Manche glauben auch, es tobe seit Jahrtausenden ein welthistorischer Kampf der Kulturen. Dieser entfaltet sich im 21. Jahrhundert als Konflikt, den Kulturräume durch die Globalisierung in verschärften Wettbewerb miteinander austragen. Markus Gabriel erklärt: „Diese Idee wurde Ende des 20. Jahrhunderts prominent vom in Harvard lehrenden Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington vertreten.“ Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Gereiztheit ist ein Kennzeichen der Gegenwart

Strenge Sozialnormen bei unterschwelliger Gereiztheit sind ein Kennzeichen der Gegenwart. Richard David Precht ergänzt: „Und die Zahl derer, denen politische Fragen zum Ventil werden, um Druck abzulassen, ist beachtlich. Ob es sich dabei um Migration oder Corona-Maßnahmen handelt, spielt dabei fast keine Rolle. Am Ende kommt es auf den Anlass wahrscheinlich weit weniger an, als den Empörten selbst bewusst ist.“ Und ist die Covid-19-Pandemie einmal ausgestanden, findet sich gewiss schnell das nächste Ventil. Richard David Precht hat einen heißen Tipp: „Maßnahmen und Auflagen gegen die drohende Klimakatastrophe …“. Die seit der Antike sozial eingeforderte Tugend der Mäßigung kennt also eine Schattenseite. Dabei handelt es sich um das versteckte Unmaß. Dabei fragt sich allerdings: Warum ist in letzter Zeit gerade der Staat zum Zielobjekt unmäßiger Wut geworden? Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Die Intention gibt einer Handlung eine Richtung

Worauf gründet sich das Handeln eines Menschen? Der Karlsruher Philosoph Hans Lenk spricht von der Intention, die der Handlung eine bestimmte Richtung gibt. Sie ist damit entscheidend dafür, wie man seine Handlungen begründet. Menschen sind in der besonderen Lage, dies tun zu können, und werden so einer moralischen Würde gerecht, so Hans Lenk. Ina Schmidt erklärt: „In der Idee einer solchen Würde sind wir also mit der Gabe zur Verantwortung ausgezeichnet und gleichzeitig aufgerufen, eben weil wir unser Handeln von Gründen leiten lassen können.“ Manche dieser Gründe sind individuell und gelten nicht für jeden. Andere stehen in einem sozialen Kontext schlicht nicht zur Verhandlung. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.

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Friedrich Nietzsche sagt ja zum Übermenschen

Friedrich Nietzsche nimmt in „Jenseits von Gut und Böse“ an, dass es gewisse Moralen gäbe. Mit deren Hilfe über deren Urheber an der Menschheit Macht und schöpferische Laune aus. Für Christian Niemeyer ist der Eindruck hier kaum vermeidbar, Friedrich Nietzsche spräche hier von sich und der Motivstruktur. Diese wurde ihm zum Anlass, als Menschenersatz den Übermenschen zu konzipieren. Der österreichische Arzt und Psychoanalytiker Paul Federn betrachtete Friedrich Nietzsches Philosophie als eine Kontrastbildung gegen seine eigene Existenz. In dieser Logik geriet Nietzsches Übermensch sehr schnell zum „Wunschtraum einer kranken Seele“. Friedrich Nietzsche selbst etikettiert sich selbst als „Dynamit“. Respektive auch als eines Denkers, „der die Geschichte der Menschheit in zwei Hälften spaltet“. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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