Friedrich Nietzsche sagt ja zum Übermenschen

Friedrich Nietzsche nimmt in „Jenseits von Gut und Böse“ an, dass es gewisse Moralen gäbe. Mit deren Hilfe über deren Urheber an der Menschheit Macht und schöpferische Laune aus. Für Christian Niemeyer ist der Eindruck hier kaum vermeidbar, Friedrich Nietzsche spräche hier von sich und der Motivstruktur. Diese wurde ihm zum Anlass, als Menschenersatz den Übermenschen zu konzipieren. Der österreichische Arzt und Psychoanalytiker Paul Federn betrachtete Friedrich Nietzsches Philosophie als eine Kontrastbildung gegen seine eigene Existenz. In dieser Logik geriet Nietzsches Übermensch sehr schnell zum „Wunschtraum einer kranken Seele“. Friedrich Nietzsche selbst etikettiert sich selbst als „Dynamit“. Respektive auch als eines Denkers, „der die Geschichte der Menschheit in zwei Hälften spaltet“. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

Friedrich Nietzsche fordert: „Sei du selbst!“

Der Streit um die Frage, ob Friedrich Nietzsche als Aufklärer gelten darf oder als Gegenaufklärer angesehen werden muss, nimmt sich stellenweise recht wüst aus. Der deutsche Philosoph Reinhard Brand beispielsweise urteilt: „Nietzsche sinkt weit unter das humanitäre und intellektuelle Niveau der großen Denker des 18. Jahrhunderts zurück.“ Seiner Meinung nach hat er die Aufklärung „nicht vorsichtig fortgeführt, sondern bedenkenlos vertan.“

Friedrich Nietzsche selbst sah sich irgendwo zwischen Aufklärung und Gegenaufklärung platziert. Er fand jedoch einen Ausweg für sich Richtung dessen, was er als „neue Aufklärung“ bezeichnete. Für ihn steht fest: „Die Verkümmerung vieler Menschen hat darin ihren Grund, dass sie immer an ihre Existenz in den Köpfen der Anderen denken. Das heißt sie nehmen ihre Wirkungen ernst und nicht das, was wirkt: sich selber.“ Daraus folgt der Imperativ: „Sei du selbst!“

Friedrich Nietzsche war der Vordenker Sigmund Freuds

Für Christian Niemeyer war Friedrich Nietzsche der Wegbereiter einer neuen Aufklärung. Er war der Vordenker Sigmund Freuds und vor allem der erste zentrale Diagnostiker des Todes Gottes. Daraus entsprang die Nötigung an den Menschen, sich von der überlieferten Kultur und Sitte freizusetzen und sich seine eigene Tugend und letztlich auch Kultur zu geben. Dies ging weit über den Aufklärungsimpuls des 18. Jahrhunderts hinaus. Schlussendlich ging es darum, für die Restitution einer durch Primärsozialisation beschädigten Subjektivität Sorge zu tragen.

Mit der Rede vom Übermenschen reagiert Friedrich Nietzsche auf eine Sorge, der Zarathustra mit seiner Kritik am „letzten Menschen“ Ausdruck gab. Dieser wird er sowohl in „Jenseits von Gut und Böse“ unter dem Chiffre „Vivellirer“ als auch in der „Genealogie der Moral“ nun deutlicher unter dem Titel „Nihilismus“ Raum geben: „Wir sehen heute nichts, was größer werden will, dass es immer noch abwärts, abwärts geht, ins Dünnere, Gutmütigere, Klügere, Behaglichere, Mittelmäßigere, Gleichgültigere, Chinesischere, Christlichere.“ Quelle: „Auf die Schiffe, ihr Philosophen!“ von Christian Niemeyer

Von Hans Klumbies