Hadija Haruna-Oelker hält fest, dass es eine andere Wirklichkeit gibt, welche die breite Öffentlichkeit bisher nicht zugelassen hat: „Wir leben Leben in Differenz in Deutschland, und diese wird weiter wachsen. Die Differenz war immer da, sollte einst ausgelöscht werden und ist trotzdem nicht aufzuhalten.“ Marginalisierte Menschen warten nicht mehr und verschaffen sich die eigene Sichtbarkeit auf eigenen Bühnen. Sie haben ihre eigenen Methoden der Aufarbeitung geschaffen. Sie sind bereit, diese zu teilen. Es ist der Wunsch von vielen Menschen. Hadija Haruna-Oelker nennt es, ein „Wir-Gefühl“ füreinander zu entwickeln. Und sie meint damit ein Verständnis von „ich fühle mit dir“. Sie meint damit keine Nächstenliebe oder vom Leid anderer bewegt zu sein. Hadija Haruna-Oelker lebt als Autorin in Redakteurin und Moderatorin Frankfurt am Main. Hauptsächlich arbeitet sie für den Hessischen Rundfunk.
Man darf Menschen nicht aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive betrachten
Hadija Haruna-Oelker geht es darum, Mitleid zu fühlen oder durch Hilfsangebote Betroffene von Katastrophen zu unterstützen oder geflüchtete Menschen „willkommen“ zu heißen. Sie meint ein Mit-Gefühl, dass auf eine Verbindung zu ihrem Gegenüber in Beziehung zu sich selbst setzt. Hadija Haruna-Oelker ergänzt: „Es bedeutet, miteinander füreinander zu fühlen. Das eigene Schicksal und die Perspektive des anderen in sich erkennen, ein Gleichgewicht herstellen und einen Schulterschluss.
Eine inklusive Migrationsgesellschaft zu werden hängt für Hadija Haruna-Oelker davon ab, inwiefern die Gesellschaft bereit ist, Unterschiede zu akzeptieren, als Selbstverständnis zu begreifen und die Menschen dieser Gesellschaft nicht aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive zu betrachten. Es ist ein langfristiger Prozess, der oft erst im Wechsel der Generationen gelingt. Und genau in diesem Wandel steckt Deutschland jetzt. Es besteht die Chance, die Gesellschaft durch neue Selbstverständnisse zu formen.
Identitäten verändern sich dynamisch
Für den Sozialpsychologen Erik Erikson steht „Identität“ für die subjektive Selbstdefinition und individuelle Weiterentwicklung eines Menschen. Im Amerika des Kalten Krieges was das die Formel für die persönliche Erfüllung und verband einen Menschen mit der eigenen, sozialen Gruppe. In den 80er Jahren entwickelte sich die Identität zum Versprechen neuer Formen der politischen Teilhabe, zu einer kämpferischen Ressource, um ein politisch-strategisches Handeln zu etablieren.
Es war die Zeit, als in den unterschiedlichen Strömungen der Neuen Sozialen Bewegungen sich Protest in Politik verwandelte. Es ging dabei nicht nur mehr darum, die „soziale Frage“, also die sozialen Missstände zu überwinden, sondern auch Umweltthemen und die Anliegen marginalisierter Menschen in den Blick zu nehmen. Der postkoloniale Theoretiker Homi K. Bhabha formulierte das Konzept der Hybridität. Nach diesem leben Identitäten davon, sich dynamisch zu verändern, an verschiedenen Orten gleichzeitig und auch in Widersprüchen zu existieren. Quelle: „Die Schönheit der Differenz“ von Hadija Haruna-Oelker
Von Hans Klumbies