Erfahrungen und Emotionen können die Quelle für Wissen sein

Michael Hampe erzählt in seinem neuen Buch „Wozu?“ die beispielhafte Biografie eines Menschen. Er schreibt: „Autobiografische Philosophie basiert auf der Idee, dass persönliche Erfahrungen und Emotionen eine legitime Quelle für Wissen und Einsichten sind.“ Einige Beispiele von Philosophinnen und Philosophen, die autobiografische Elemente in ihren Arbeiten verwendeten, sind Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Friedrich Nietzsche. Ihre Arbeiten offenbaren eine Menge über ihre eigene Lebenserfahrung, ihre persönlichen Gedanken und Gefühle und darüber, wie sie ihre philosophischen Ideen geformt haben. Es ist behauptet worden, dass man „das Selbst“ als eine Fiktion ansehen könnte, die, so wie ein Schwerpunkt als der Ort, an dem die Gravitationskraft auf einen Körper wirkt, innerhalb einer Erzählung entsteht als die Perspektive, aus der die Erzählung gesponnen wird und zu der sie immer wieder zurückkehrt. Michael Hampe ist seit 2003 Professor für Philosophie an der ETH Zürich.

Niemand kann alle Zwecke erreichen

Das Erreichen von Zwecken gilt als gut und die Fähigkeit, sich weitere setzen zu können, ebenfalls. Wasser, Nahrung, Sexualpartner zu finden, gilt als gut. Es ist erwogen worden – von Baruch de Spinoza , dass Menschen das „gut“ nennen, nach dem sie streben. In der heutigen Zeit kann das auch eine Karriere sein. Erst durch den Beruf wird man ein bestimmter Mensch, erst durch den Beruf, mit dem man Geld verdient, wird man wirklich und ernsthaft. Vorher, ohne Beruf, war man offenbar nur unwirklich da.

Wer seine Zwecke erreicht, hat gelegentlich die Vorstellung der Erlösung, der Utopie. Michael Hampe schreibt: „Ich schaffe es, alle Zwecke zu erreichen. Ich erreiche einen Endzweck. Alles wird gut: mein Leib, die Gemeinschaft mit den anderen. Das ist eine Fata Morgana, eine Fantasie, die vielleicht mein eigenes Streben und das der Gesellschaft in Gang hält: Ich und wir müssen ankommen, da, wo alles gut ist.“ Spielen, träumen, arbeiten, Geld verdienen, im Jenseits das Licht sehen – aus diesen verschiedenen Erscheinungen und Spekulationen haben sich Vorstellungen über Grade der Wirklichkeit ergeben.

Zwecke sind für Baruch de Spinoza menschliche Fiktionen

Wenn Aristoteles der Philosoph der Zweckmäßigkeit und der Vernunft als der Fähigkeit zu bewerten ist, so ist Baruch de Spinoza in der westlichen Philosophie der größte Kritiker sowohl der Teleologie wie des Bewertens. Das macht laut Michael Hampe seine bis heute ungewöhnliche und aufregende Modernität aus. Zwecke sind für ihn menschliche Fiktionen. Aus ihnen entstehen „die Vorurteile von gut und böse, Verdienst und Sünde, Lob und Tadel, Ordnung und Verwirrung, Schönheit und Hässlichkeit und dergleichen“.

Lässt man sich auf die Skepsis ein, ändert sich vieles, sowohl das Selbst- als auch das Weltverhältnis. Die Welt erscheint dann nicht mehr als eine Ansammlung absoluter Gewissheiten, fester Verlässlichkeiten. Es scheint Michael Hampe daher nicht mehr zu stören, dass er nicht wissen kann, in was er hineingeraten ist auf dieser Welt, in diesem Leben, und in was er vergeht. Seiner Meinung nach befindet er sich ein einem ewig schöpferischen unendlichen Spiel, in einer Bewegung, die jedoch auf nichts hinausläuft.

Wozu?
Eine Philosophie der Zwecklosigkeit
Michael Hampe
Verlag: Hanser
Gebundene Ausgabe: 223 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-446-27916-2, 25,00 Euro

Von Hans Klumbies

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