Silvio Vietta stellt Jean-Jacques Rousseau vor

Selten kann man bei der Lektüre eines Theoretikers so direkt der Geburt einer radikal neuen und zugleich schrecklichen Staatstheorie beiwohnen. Es ist der totalitär-egalitäre Staat, den Jean-Jacques Rousseaus „Contrat“ gebiert. Und damit den Terreur der französischen Revolution ebenso wie den Terror der totalitären kommunistischen Regimes. Sie alle konnten sich auf Jean-Jacques Rousseau berufen. Sie taten dies auch zum Teil bei der Realisierung ihres schrecklichen Regimes als Ausdruck einer idealistischen Idee. Silvio Vietta weiß: „Gegen den totalitären Staat mit dem höchst moralischen Anspruch hat der einzelne Bürger wenig Chancen.“ Weil eben der Staat mit Jean-Jacques Rousseau ja immer beanspruchen kann, das „Gemeinwohl“ zu vertreten. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Einst war Gott für das Schicksal verantwortlich

Wer hätte nicht schon mal versucht, dem Masterplan des Lebens auf die Spur zu kommen, dem Schicksal, dem Nicht-Wählbaren, dem Kontingenten? Fragen zu klären wie: Warum geschieht gerade dies mir, uns, ihnen? Der Mensch ist ein Warum-Wesen. Reinhard K. Sprenger erläutert: „Er sucht für jedes Phänomen eine Erklärung, eine Ordnung. Eine Ur-Sache. Und wenn er sie nicht findet, er-findet er eine.“ Früher war diese Ursache einsilbig: Gott. Wenn die Ernte ausblieb – Gott will uns strafen. Starb jemand zu früh – Gottes Wille. Hatte man Glück – Gott hat Gnade walten lassen. Den Extremfall etikettierte man als „Jüngsten Tag“. Man verbeuge sich vor dem Göttlichen, dem Unabänderlichen, was ein Mensch ist und wie ihm geschieht. Reinhard K. Sprenger, promovierter Philosoph, ist einer der profiliertesten Führungsexperten Deutschlands.

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Muskel- und Skeletterkrankungen belasten die Arbeitswelt

Muskel- und Skeletterkrankungen haben in der heutigen Arbeitswelt eine erhebliche Bedeutung erlangt. Sie gehören zu den häufigsten Gründen für Krankschreibungen mit ca. 17% gleichauf mit Atemwegserkrankungen. Doch anstatt uns von den Herausforderungen dieser Erkrankungen entmutigen zu lassen, sollten wir sie als Anreiz betrachten, Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Stadt vs Land Ländliche Gebiete sind oft stärker von … Weiterlesen

Gutem Verhalten geht eine „schwierige Freiheit“ voraus

Der litauisch-französische Philosoph Emmanuel Lévinas hat einige wunderschöne Seiten über die „schutzlose“ menschliche Haut geschrieben. Charles Pépin erklärt: „Unsere Haut ist viel dünner als die der anderen Säugetiere. Es ist gar nicht so schwer – zumindest materiell gesprochen –, einen Menschen zu töten.“ Das erste moralische Gebot „Du sollst nicht töten“ hat erst dann einen Sinn, wenn der Andere als Gegenüber wirklich anwesend ist. Nur dann wendet er einem Anderen sein Gesicht zu und macht ihn für sein Überleben verantwortlich. Emmanuel Lévinas bezeichnet diese Verantwortung sogar als Geiselschaft. Man kann es sich jetzt nicht mehr aussuchen und hat die Pflicht, sich um den Anderen zu kümmern. Charles Pépin ist Schriftsteller und unterrichtet Philosophie. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Die globale Digitalisierung ist die wahre Zeitenwende

In ihrem neuen Buch „Alles und nichts sagen“ geht Eva Menasse der Frage nach, was die digitale Massenkommunikation zwischenmenschlich angerichtet hat. Denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche ist mit einer Wucht und Geschwindigkeit über die Menschheit hereingebrochen wie keine andere Erfindung zuvor. Eva Menasse schreibt: „Sie verändert sich und uns immer weiter, beständig nur in ihrem lawinenhaften Charakter.“ In eineinhalb Jahrzehnten sind die Bedingungen des Menschseins grundlegend andere geworden. Die globale Digitalisierung ist daher die einzige und wahre Zeitenwende. Die Grundlagen des Zusammenlebens haben sich fundamental verändert. Die Ansprüche, die Ungeduld und der Hass auf die Anderen sind gewachsen. Die Romane der österreichischen Schriftstellerin Eva Menasse sind vielfach ausgezeichnet worden.

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Liberale Demokratien verfügen über eine dauerhafte Stärke

Die Sonderausgabe des Philosophie Magazins „Impulse für 2024“ enthält ausgesuchte Essays und Gespräche zu den großen Fragen unserer Zeit. Die Rubrik „Eine neue Weltordnung“ beinhaltet ein Gespräch mit Francis Fukuyama über schwache Diktatoren, robuste Demokratien und die Gefahr der Spaltung. Der berühmte Politikwissenschaftler vertritt die Meinung, dass die liberalen Demokratien über eine dauerhafte Stärke verfügen, wohingegen autoritäre Regime Schwächen haben. Francis Fukuyama erläutert: „Sie haben das Problem, dass ein Alleinentscheider an der Spitze steht. Die Machtkonzentration führt zu Fehlentscheidungen, die katastrophal sein können.“ Der russische Überfall auf die Ukraine hat vielen Menschen die Augen geöffnet. Die Bevölkerungen in liberalen Demokratien erkennen plötzlich, dass ihr Frieden und ihre Sicherheit nicht selbstverständlich sind. Für Francis Fukuyama ist der Zustand der liberalen Demokratien insgesamt dennoch nicht so schlecht.

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Veränderungen erzeugen zunächst Unbehagen

Jede Form der Veränderung geht zunächst mit einem Unbehagen einher. Emanuele Coccia kritisiert: „Wir haben Bewegung und Wandel zu Fetischen gemacht. Dabei ist alles so angelegt, Bewegung unmöglich zu machen.“ Viele Menschen streben danach, sich fortzubewegen und ihre Stellung in der Gesellschaft zu verändern. Manche möchten auch an einen anderen Wohnort ziehen, von einem Zustand in einen anderen wechseln. Doch all diese Veränderungen sind eine Illusion. Man verschiebe das Leben nur in ein neues Dekor. Die Globalisierung verspricht eine sagenhafte Mobilität in der Geschichte der Menschheit. Fieberhaft wechseln viele Menschen die Orte, sind und bleiben aber alle, wer sie waren. Die Reichen bleiben reich, die Armen haben nicht mehr Chancen am Ziel als am Start. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Der Populismus kritisiert die Eliten

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es die verschiedensten Definitionen für Populismus. Eine davon lautet: „Im Zentrum des Populismus stehen die Kritik er herrschenden Eliten und der Rückgriff auf das einfache Volk. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Agitationsform oder ein politisches Stilmittel, wie gelegentlich behauptet wird, sondern auch um ein ideologisches Merkmal.“ Klaus-Peter Hufer ergänzt: „Im Unterschied zum Rechtsextremismus versteht sich der Rechtspopulismus keineswegs als antidemokratisch. Er beansprucht im Gegenteil die Vertretung der wahren Demokratieform, indem er den vermeintlichen Volkswillen gegen die Rechte der Einzelnen oder Minderheiten in Stellung bringt. Je antiliberaler und antipluralistischer er auftritt, desto größer sind seine Schnittmengen zum Extremismus.“ Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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Die Wahrheit stabilisiert das Leben der Menschen

Hannah Arendt hält wie Martin Heidegger an der terranen Ordnung fest. So beschwört sie oft Halt und Dauer. Byung-Chul Han fügt hinzu: „Nicht nur Weltdinge, sondern auch die Wahrheit haben menschliches Leben zu stabilisieren. Im Gegensatz zur Information besitzt die Wahrheit eine Festigkeit des Seins.“ Dauer und Beständigkeit zeichnen sie aus. Wahrheit ist Faktizität. Sie leistet jeder Veränderung und Manipulation Widerstand. So bildet sie das Fundament der menschlichen Existenz. Hannah Arendt schreibt: „Wahrheit könnte man begrifflich definieren als das, was der Mensch nicht ändern kann. Metaphorisch gesprochen ist sie der Grund, auf dem wir stehen, und der Himmel, der sich über uns erstreckt.“ Bezeichnenderweise siedelt Hannah Arendt die Wahrheit zwischen Erde und Himmel an. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Sparen ist eine wirklich gute Sache

Menschen sollten sich davon überzeugen lassen, Geld zu sparen. Es dauert auch nicht lang. Muss man Menschen wirklich davon überzeugen, dass Sparen einen guten Sache ist? Morgan Housels Erfahrung nach ja, viele muss man erst überzeugen. Morgan Housel erläutert: „Oberhalb eines bestimmten Einkommens fallen Menschen in drei Kategorien. Diejenigen, die sparen, diejenigen, die glauben, sie könnten nichts sparen, und diejenigen, die denken, sie müssten nicht sparen.“ Moran Housels Appell zu sparen, richtet sich an die beiden letzten Gruppen. Die erste Tatsache – offenkundig genug, aber oft übersehen – lautet: Kapital bildet man, indem man spart, nicht indem man gut verdient oder das eigene Kapital eine gute Rendite erwirtschaftet. Die Entscheidung, beispielsweise ein kleineres Auto zu kaufen oder mit dem Rad zu fahren, liegt bei jedem selbst. Und die Wahrscheinlichkeit, damit Energie zu sparen, liegt bei 100 Prozent. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.

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Die Redefreiheit hat sich als robust erwiesen

Jonathan Rauch ist kein Alarmist. Ganz im Gegenteil, er schreibt sein Buch „Die Verteidigung der Wahrheit“ in einem Geist der Hoffnung und des vorsichtigen Optimismus. Denn in der digitalen Medienwelt geht man mit beeindruckendem Engagement und neuen Ansätzen gegen Desinformationsangriffe vor. Und der Feind hat nicht mehr den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite. Jonathan Rauch ergänzt: „In der akademischen Welt gibt es immer noch große Bestände von wissenschaftlicher Integrität, die man anzapfen kann. Die heutigen Herausforderungen für die Verfassung der Erkenntnis sind unter historischen Gesichtspunkten betrachtet vergleichsweise harmlos. Das eigentliche Wunder ist, als wie robust sich die Redefreiheit und die liberale Wissenschaft erwiesen haben. Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.

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Hannah Arendt lehrt die „menschliche Bedingtheit“

Hannah Arendts Texte enthalten eine Art Grundkurs in Politik. Er basiert auf einigen Tatsachen, die man mit den fünf Sinnen und dem gesunden Menschenverstand begreifen kann. Ned O’ Gorman erläutert: „Zunächst fordert Arendt uns auf, unsere Grundsituation als Menschen in den Blick zu nehmen. Insbesondere die erste und wichtige Tatsache: dass nämlich du und ich und andere zusammen auf dieser Erde leben.“ Hannah Arendt bezeichnet dies als „menschliche Bedingtheit“. Es ist bedeutsam, dass Arendt ihr Nachdenken über Politik mit der conditio humana beginnt und nicht etwa mit der sogenannten „Natur des Menschen“. Viele andere bekannte Namen der politischen Philosophie der Moderne sahen das anders. Sie nahmen an, Politik sei in der einen oder anderen Weise eine Antwort auf und ein Umgehen mit dem Problem der „menschlichen Natur“. Ned O’ Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.

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Gut zu sein macht unter allen Umständen glücklich

Rebekka glaubt nicht, dass es schwer ist, gut zu sein. Und zu bleiben. Wie das funktioniert beschreibt sie in ihrem neuen Buch „Die Kunst gut zu sein“. Gut zu sein ist ihrer Meinung nach eine Haltung, eine Entscheidung, die immer und unter allen Umständen glücklich macht. Nämlich erstens diejenigen, die das Gute empfangen und zweitens jene, die es geben. Rebekka Reinhard schreibt: „Es beginnt mit einem Lächeln, das anderen signalisiert: Da ist jemand, der mich sieht. Als Mensch sieht.“ Ihr Buch soll Mut und Lust aufs Gutsein machen. „Die Kunst gut zu sein“ ist eine Einladung zur simplen Menschlichkeit, die man zu oft vergisst, weil ständig ein Termin, ein Konflikt, eine Zerstreuung dazwischenkommt. Rebekka Reinhard ist Chefredakteurin des Magazins „human“ über Mensch und KI. Unter anderem ist sie bekannt durch den Podcast „Was sagen Sie dazu?“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft wbg.

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Es gibt einen moralischen Kompass

Wie Menschen eine Sachlage beurteilen und wie sie sich in einer gegebenen Situation fühlen, gehört zum moralischen Nachdenken. Markus Gabriel erläutert: „Die universalen Werte nehmen uns unsere konkreten Entscheidungen nicht ab. Der moralische Kompass zeigt uns auf, in welche Richtung wir gehen sollen. Die einzelnen Schritte müssen aber immer noch wir als immer auch irrtumsanfällige Individuen gehen.“ Ansonsten wäre man nicht frei, denn das eigene Handeln wäre sozusagen durch die moralischen Kräfte der universalen Werte vorbestimmt. Die Grundthese des moralischen Realismus besagt in diesem Zusammenhang, dass Wertvorstellungen wahr oder falsch sein können. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Psyche und das Gehirn sind eng verbunden

Wenn man über die Psyche spricht, spricht man auch über das Gehirn. Genauer: über das gesamte Nervensystem. Franca Cerutti weiß: „Die Trennung zwischen Psyche und Körper und die Vorstellung, als sei die Psyche etwas, was den Körper „bewohnt“, ist schlicht und einfach falsch. Wir haben keinen Körper, wir sind ein Körper.“ Menschen sind Chemie und Strom, sie sind Botenstoffe und Hormone. Gleichzeitig sind sie, wie Aristoteles schon sagte, als Ganzes mehr als die Summe ihrer Teile. Menschen sind die Magie, die sich aus dem gesamten komplexen, verzahnten Geschehen ergibt. Und wie könnte dieses ganze System stets und ständig bei jedem „normal“ laufen? Das menschliche Gehirn ist wohl das komplizierteste Organ, das sich im Laufe der Evolution entwickelt hat. Franca Cerutti ist Psychotherapeutin mit eigener Praxis und Podcasterin.

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Das Internet gilt als Klimakiller

Wenn das Internet ein Land wäre, gehörte es zu den Top Ten der Energieverbraucher, in einer Liga mit Staaten wie den USA, China, Indien, Russland, Japan oder Deutschland. Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Und während in vielen Wirtschaftsbereichen langsam – zu langsam! – der Energiebedarf zu sinken beginnt, wächst der Energiehunger der digitalen Welt um neun Prozent pro Jahr.“ Allein die Streamingdienste sind für etwa 300 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich. Das entspricht immerhin fast einem Drittel der Emissionen des globalen Luftverkehrs. So gesehen sind Katzenvideos fast so klimaschädlich wie Flugreisen. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Politische Wahlen müssen ungewiss sein

Eine gute ausbalancierte repräsentative Demokratie benötigt mehrere Dinge. Jan-Werner Müller betont: „Nach einer Niederlage sollte es eine realistische Chance gegen, dass unsere Seite später auch wieder gewinnen kann. Wir müssen sicher sein können, dass dies zumindest eine Möglichkeit ist. Denn anderenfalls stellt sich die Frage, warum wir das Spiel nicht gleich ganz verlassen sollten.“ Wenn man jedoch stets sicher ist, das Spiel zu gewinnen, mag das einem zwar ganz lieb sein, aber Beobachter könnten zu Recht den Verdacht haben, dass es mit der Demokratie eigentlich vorbei ist. Deshalb definiert der Politologe Adam Przeworski Demokratie als eine Form „institutionalisierter Ungewissheit“. Diese sperrige Formulierung enthält eine profunde Erkenntnis: Politische Ergebnisse – insbesondere Wahlen – müssen auf eine spezifische Weise ungewiss sein. Jan-Werner Müller ist Roger Williams Straus Professor für Sozialwissenschaften an der Princeton University.

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Naturverbundenheit wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus

Mehr und mehr erkennt man, dass wichtige Zusammenhänge zwischen dem menschlichen Nervensystem, der Immunfunktion und der Stimmung gibt. Lucy F. Jones ergänzt: „Neueste Fortschritte auf dem Gebiet der Genetik zeigen, dass mit Depressionen assoziierte Gene auch Verbindungen zum Nerven- und Immunsystem haben.“ Naturverbundenheit wirkt sich positiv auf die Immunfunktion des menschlichen Körpers aus, sei es durch eine Entspannung des Nervensystems oder das Verfliegen von Ängsten und Sorgen. Sie verschafft den Menschen durch Phytonzide – die von Bäumen und Pflanzen ausgestoßenen Chemikalien, die das Immunsystem ebenfalls in Schwung bringen können – eine Atempause von verschmutzter Luft. Studien haben gezeigt, dass schon der Blick auf eine natürliche Landschaft zu einem Anstieg entzündungshemmender Zytokine führen kann. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

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Die sozialen Medien können ihr Glücksversprechen nicht einhalten

Im Jahr 2020 nutzten mehr als 3,6 Milliarden Menschen soziale Medien. Ein Blick auf ihre Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Stärkung von Empathie gegenüber der Natur ist daher unvermeidlich. Joachim Bauer stellt fest: „Das Versprechen, das die Social-Media-Plattformen ihren Nutzern machen, ist die zwischenmenschliche Verbundenheit.“ Man programmierte ihre digitale Architektur bewusst so, dass sie in maximal effizienter Weise das neurologisch verankerte Bedürfnis des Menschen anspricht. Nämlich mit anderen verbunden zu sein, also einerseits gehört und gesehen zu werden und andererseits sich selbst Ausdruck verleihen zu können und Gehör zu finden. Obwohl sie die Sehnsucht nach sozialer Verbundenheit offensichtlich in hohem Maße erfolgreich ansprechen, scheinen die sozialen Medien ihr Glücksversprechen jedoch nicht einhalten zu können. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

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Die „Gafam“-Monopole sind mächtiger als Staaten

Wer über wirtschaftliche Macht schreibt, kommt an Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft nicht vorbei. Dabei handelt es sich um jene „Big Five“ der modernen Informationsgesellschaft, die als „Gafam“ gekannt ist. Hans-Jürgen Jakobs erläutert: „Auch sie handeln mit einem Rohstoff, unseren Daten, einem Gut, das längst als Rohöl des 21. Jahrhunderts gepriesen wird. Viele Märkte sind inzwischen hochkonzentriert, auch in Deutschland.“ Der Energiemarkt zum Beispiel. Die Rohstoffe. Das Geschäft mit der Telekommunikation. Der Handel. Gas. Die Reeder. Finanzen. Der Markt für Wirtschaftsprüfer. Aber „Gafam“ ins besonders, denn diese Unternehmen schreiben die Geschichte der Monopole neu. Sie sind längst so mächtig – sogar mächtiger – wie Staaten, in ihrem Selbstbewusstsein allemal, nur ohne jegliche demokratische Kontrolle. Hans-Jürgen Jakobs ist Volkswirt und einer der renommiertesten Wirtschaftsjournalisten Deutschlands.

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Die neue Weltordnung wird aus fünf Großmächten bestehen

Herfried Münkler analysiert in seinem neuen Buch „Welt in Aufruhr“ die aktuelle Geopolitik und zeigt, wo in Zukunft die Konfliktlinien verlaufen. Viel spricht seiner Meinung dafür, dass ein neues System regionaler Einflusszonen entsteht, dominiert von fünf Großmächten. Die letzten Jahrzehnte sind von tiefgreifenden und folgenreichen Veränderungen der weltpolitischen Konstellationen geprägt. Im globalen Süden hat es sogar eine Reihe disruptiver Entwicklungen gegeben, wie etwa das Ende der europäischen Kolonialreiche. Die jüngsten Veränderungen bezeichnet man daher gerne als „Weltunordnung“. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts zerfiel die Sowjetunion. Im Rückblick ist es immer noch frappierend, wie unspektakulär sich das Ende dieses vormals zentralen Akteurs der Weltpolitik vollzog. Herfried Münkler ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Viele seiner Bücher gelten als Standardwerke, etwa „Imperien“ oder „Die Deutschen und ihre Mythen“.

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Der Mensch versteht sich als offenes Wesen

Was ist der Mensch? In dieser Frage laufen nach Immanuel Kant die Grundlinien der Philosophie, der Religion und der Moral zusammen. Seit der Renaissance versteht sich der Mensch als prinzipiell offenes Wesen. Nämlich nicht nur tendenziell frei gegenüber der Welt, sondern auch frei sich selbst gegenüber. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Friedrich Nietzsche steht, wenn auch kritisch, in dieser Tradition. Er treibt sie weiter, spitzt sie zu, entkleidet sie jedoch vom Pathos der Würde.“ Der Mensch: Das ist, wie Nietzsche sich einmal notierte, „das noch nicht festgestellte Thier“. Im „Antichrist“ resümierte Nietzche seine Position. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Gerhard Gleißner erklärt den Aufbau der Stoa

Die gesamte Lehre der Stoa umfasst neben der Ethik auch noch die Bereiche der Logik und der Physik. Gerhard Gleißner erläutert: „Die Logik beschäftigte sich mit dem vernünftigen, folgerichtigen Denken, um dadurch neue Erkenntnisse zu gewinnen und Fortschritte zu erzielen.“ Zum anderen sollte man die erworbenen Einsichten und Erkenntnisse ja auch den anderen Menschen mitteilen und vermitteln können. Dafür waren vernünftige sprachliche – rhetorische – Fähigkeiten sehr wichtig. Die Physik versuchte, den Aufbau der Welt beziehungsweise des gesamten Kosmos zu erklären. Anders als bei der heutigen Naturwissenschaft spielte hier zusätzlich die Theologie mit hinein. Die Stoiker bezeichneten diesen Gesamtzusammenhang als „logos“ – Wort, Sinn, Vernunft. Der „logos“ entspricht einer übergeordneten Einheit, auf die alles zurückgeht. Somit haben logische Gesichtspunkte in der stoischen Physik einen festen Platz. Dr. med. Gerhard Gleißner ist seit 2014 als Amtsarzt und Gutachter im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig.

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Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck

Die moderne Weise zu denken entstand im Lauf einer Reihe von Krisen. Diese erschütterten ab dem Jahr 1500 Europa und breiteten sich später über die ganze Welt aus. Stefan Klein blickt zurück: „Viele Konflikte dieser Zeit erinnern an die Auseinandersetzungen, die unsere Gesellschaften heute aus dem Gleichgewicht bringen. Globalisierung und die explosive Verbreitung neuer Medien stellten auch damals die soziale Ordnung in Frage.“ Technischer Fortschritt entschied über wirtschaftlichen Erfolg, und die Gewissheiten der Religion galten nicht mehr. So gut wie alle Lebensbereiche veränderten sich. Ausgelöst hatte den Umbruch die bis heute folgenreichste Innovation seit der Antike. Die Anfänge dieser Erfindung liegen im Dunklen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Die Welt ist nicht zu hart

Friedrich Nietzsche schreibt in seinem Werk „Ecce Homo“: „Der wohlgeratene Mensch errät Heilmittel gegen Schädigungen. Er nützt schlimme Vorfälle zu seinem Vorteil aus. Was ihn nicht umbringt, macht ihn stärker.“ Dieselbe Widerstandskraft erwartet man auch von seinen Mitbürgern. Denn nur ein resilientes Ich, das an Krisen wächst und sich gegen die Wechselfälle des Lebens zu wappnen weiß, ist im Privat- wie Berufsleben verlässlich und letztlich auch für eine Demokratie unentbehrlich. Svenja Flaßpöhler weiß: „Oder wie sonst ließen sich vernünftige Entscheidungen treffen und harte Debatten führen?“ Wie sonst könnte man zielorientiert in die Zukunft blicken, wenn man bei eigenem oder fremdem Leid sofort in Tränen ausbricht und alles persönlich nimmt? Nein, die Welt ist nicht zu hart. Svenja Flaßpöhler ist promovierte Philosophin und Chefredakteurin des „Philosophie Magazins“.

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