Fakten führen zu einem besseren Verständnis der Welt

In seinem Buch „Zahlen lügen nicht“ hat Vaclav Smil alle Themen versammelt, die er seit den 1970er Jahren in vielen seinen Büchern behandelt hat. Dazu zählen Menschen, Bevölkerungen und Länder, Energieverbrauch und technische Innovationen, Maschinen und Geräte, welche die moderne Zivilisation definieren. Obendrein liefert „Zahlen lügen nicht“ am Ende noch einen faktenbasierten Ausblick auf die Nahrungsversorgung und Essgewohnheiten der Menschheit sowie auf den Zustand und Niedergang der Umwelt. Zuerst und vor allem ist es ein Anliegen dieses Buches, die Fakten zu klären. Alle genannten Zahlen stammen aus Primärquellen. Vaclav Smil betont: „Um verstehen zu können, was in unserer Welt wirklich vor sich geht, müssen wir im nächsten Schritt die Zahlen in den jeweils zughörigen historischen und internationalen Kontext einbetten.“ Vaclav Smil ist Professor für Umweltwissenschaften an der University of Manitoba.

Europa sollte zufriedener mit sich sein

Vaclav Smil schreibt in Kapitel 9: „Die Aussagekraft vieler statistischer Wirtschaftsdaten sind mit Vorsicht zu betrachten, was oft mit der Frage zu tun hat, was in die Messungen einfließt und was herausgehalten wird.“ Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) liefert ein gutes Beispiel für eine Maßzahl, die wichtige Umweltfaktoren wie Luft- und Wasserverschmutzung, Bodenerosion, Verlust an Biodiversität und die Auswirkungen des Klimawandels unberücksichtigt lässt.

Die Überschrift von Kapitel 14 lautet: „Warum Europa zufriedener mit sich sein sollte“. Es scheint leider, als hätten sich die Völker Europas an Jahrzehnte des Friedens und des Wohlstand als etwas Selbstverständliches gewöhnt und als nähmen sie Fehltritte und Schwierigkeiten – darunter unvermeidliche wie unverzeihliche – zum Anlass, alte Vorurteile und Animositäten wieder auflegen zu lassen. Vaclav Smils Herzenswunsch für Europa lautet daher: „Alles tun, damit es funktioniert. Sich nicht dafür ins Zeug zu legen, wäre fahrlässig und nicht etwas, das man leichtfertig in Kauf nehmen sollte.“

Ein Drittel aller erzeugten Nahrungsmittel landet in der Tonne

Kapitel 54 handelt vom unentschuldbaren Ausmaß der weltweiten Verschwendung von Lebensmitteln. Im globalen Durchschnitt landet mindestens ein Drittel aller erzeugten Nahrungsmittel in der Tonne. Die Produktion von Nahrungsmittel, die am Ende im Abfall landen könnte für bis zu 10 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sein. Nach Berechnungen von Waste and Resources Action Programme (WRAP), einer staatlichen Initiative in Großbritannien, würde jeder in präventive Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung investierte Euro einen 14-fachen Ertrag bringen. Ist das nicht überzeugend genug?

Im Nachwort schreibt Vaclav Smil: „Um absolute Werte verständlich beurteilen zu können, muss man manchmal eine relativierende, vergleichende Perspektive einnehmen. Das Erstellen rigider Rangfolgen auf der Grundlage mikroskopischer Differenzen führt eher in die Irre als zur Erkenntnis.“ Rundung und Annäherung sind seiner Meinung nach besser als unfruchtbare und unnötige Präzision. Zweifel, Skepsis und ständiges Infragestellen gehen in Ordnung, aber in Ordnung ist auch das Beharren auf eine Quantifizierung der komplexen Realitäten unserer modernen Welt.

Zahlen lügen nicht
71 Geschichten, um die Welt besser zu verstehen
Vaclav Smil
Verlag: C. H. Beck
Gebundene Ausgabe: 349 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-406-81703-8, 25,00 Euro

Von Hans Klumbies

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