Die Flut von Informationen betäubt

Anders Indset stellt fest: „Wir sind Gefangene unserer eigenen Freiheit. In einer Flut von scheinbar essenziellen Informationen, die uns „kostenfrei“ zur Verfügung stehen. Wann immer und wo immer wir wollen.“ Ein weiteres Fenster öffnen, und noch eins, man darf ja nichts verpassen. Speichern für später kann man auch, ein Lesezeichen setzen, eine neue Liste erstellen oder sich selbst eine Nachricht für später schicken. Nichts darf untergehen, alles ist heute wichtig. Sogar die traditionellen Medienhäuser haben den „Zugang“ für sich entdeckt. Zugang zu was? … Connected eben. Über fremde Kanäle, als Videoformat versteht sich. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, mehrere Bildschirme zu verwenden. Unterhaltung und Konsumscreens laufen durch. Wache Zeit heißt für viele User konsumieren und optimieren. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

Algorithmen sind unsichtbar

Sprüche über Multitasking und Fokus sind in Vergessenheit geraten. Was heute zählt, ist Tempo. Man sieht sie nicht, aber wenn man in sich hineinhorcht, dann spürt man sie – oh, diese Algorithmen. Die Empfehlungsalgorithmen wissen längst, was eine bestimmte Person interessiert. Die Suchfelder werden obsolet. Wann, wo und was, – dass sagen einem die ausgeklügelten Algorithmen. Mehr vom Gleichen, ein Trieb in Richtung Ähnlichkeit, und dann doch so vielfältig und individuell zugeschnitten.

In der Sache wiesen medienkritische Analysen der Vergangenheit auf Themenbereiche hin, die man nicht einmal heute ausreichend bewerten kann. Fluch oder Segen? Heilsbringer einer neuen Aufklärung oder Suchterzeuger und Teufelszeug? Anders Indset weiß: „In vielen Büchern finden wir Verweise auf die Gesellschaftskritik und Technologiewarnungen des Klassikers „1984“ von George Orwell.“ Auch Anders Indset selbst hat diesen kontrollierten Informations- und Überwachungsstaat als fast prophetischen Ausblick bezeichnet.

Eine kritische Medienanalyse ist heute nötiger denn je

Wie man jetzt aber erkennt, stellt das Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ von Neil Postman eine viel relevanteren Bezug zur aktuellen Wirklichkeit her. Alte Strukturen sind mächtig und wirken lange. Neue Paradoxien überlagern sie, was die Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Absolutheiten der Gegenwart erschwert. Anders Indset erklärt: „Es wirken ambivalente Kräfte, die aber auf fragile bestehende Strukturen treffen. Wir sind also weit entfernt von einer aufgeklärten Weltgesellschaft.“

Deshalb sollte das Denken der kritische Faktor für einer Heilung der essenziellen Themen sein. Viele Menschen sind heute restlos in ihrer eigenen Freiheit gefangen. Reaktionismus und der Drang nach Optimierung lassen sie die Irrtümer und Denkfehler nicht wahrnehmen. Eine kritische Medienanalyse scheint heute nötiger als je zuvor. Denn es existiert eine Informationslandschaft, die man als fatale Informationsgesellschaft beschreiben kann. Noch nie hat sich Anders Indset so bestätigt gefühlt und gleichsam so verwirrt. Quelle: „Das infizierte Denken“ von Anders Indset

Von Hans Klumbies