Die Flut der Informationen zerstört relevantes Wissen

Michael Schmidt-Salomon hat sein neues Buch „Die Evolution des Denkens“ unter anderem deshalb geschrieben, weil er in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen hat, dass in der Flut der Informationen, die uns tagtäglich überschwemmt, relevantes Wissen verloren geht. Selbst in akademischen Kreisen scheint man die Grundlagen des modernen Weltbildes kaum noch zu kennen. Michael Schmidt-Salomon schreibt: „Diese kulturelle Demenz ist gefährlich, weil sie unsere Perspektive verengt. Wir verlieren die Orientierung und sind dazu verdammt, die gleichen Fragen immer und immer wieder neu zu diskutieren, obwohl die maßgeblichen Antworten schon vor Jahrzehnten, wenn nicht schon vor Jahrhunderten gefunden wurden.“ Deshalb stehen im Zentrum seines Buchs die Lebensgeschichten jener Menschen, die seines Erachtens besonders relevante Einsichten für die heutige Zeit hervorgebracht haben. Michael Schmidt-Salomon ist freischaffender Philosoph und Schriftsteller sowie Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung.

Vorbilder bieten Orientierung im Leben

Michael Schmidt-Salomon stellt in seinem Buch außergewöhnliche Menschen vor, die auf irgendeinem Gebiet herausragende Leistungen erbracht haben. Dazu zählen Charles Darwin, Albert Einstein, Marie Curie, Alfred Wegener, Carl Sagan, Epikur, Friedrich Nietzsche, Karl Marx, Karl Popper sowie Julian Huxley. Hinter dem Kult um diese Personen verbirgt sich ein tiefes menschlichen Bedürfnis: Wir brauchen Vorbilder, um uns in unserem Leben zu orientieren. Sie sind Teil unserer Identität, sagen uns wer wir sind oder sein könnten.

Michael Schmidt-Salomon fügt hinzu: „Daher ist es verständlich, dass wir jenen Personen Respekt, Dankbarkeit, ja Bewunderung zollen, die Außergewöhnliches geleistet haben, deren Werke uns ergreifen, deren Gedanken uns inspirieren, deren Kämpfe für eine bessere Welt und zu eigenem Handeln anregen.“ So originell die großen Denker der Menschheit auch erscheinen mögen – sie alle waren abhängig von dem intellektuellen Umfeld, sowie von den Leistungen, die andere vor ihnen erbracht hatten.

Die Natur ist nicht gut – und der Mensch nicht böse

Im letzten Kapitel seines Buches widmet sich Michael Schmidt-Salomon der Menschheit im Zeitalter des Anthropozäns. Dabei stellt er fest: „Wer sich die immer wieder stattfindenden globalen Katastrophen der Erdgeschichte vor Augen führt, begreift: Die Natur ist nicht gut – und der Mensch nicht böse.“ Solche moralisierenden Kategorien verbieten sich ohnehin, wenn man die Entwicklung der Erde sowie die Entwicklung der menschlichen Zivilisation im Lichte der Evolution betrachtet.

Das Kernproblem der Gegenwart ist für Michael Schmidt-Salomon, dass sich die Menschheit offenkundig in einem „Zeitalter der halbierten Aufklärung“ befindet. Während heute viele Menschen technologisch im 21. Jahrhundert leben, sind ihre Weltbilder mehrheitlich noch von jahrtausendealten Mythen geprägt, die keiner kritischen Prüfung standhalten. Für eine Reformation des Anthropozäns ist es noch nicht zu spät. Die Menschheit muss dieses Zeitalter allerdings mit den großen Errungenschaften der Wissenschaft, Philosophie und Kunst anreichern.

Die Evolution des Denkens
Das moderne Weltbild – und wem wir es verdanken
Michael Schmidt-Salomon
Verlag: Piper
Gebundene Ausgabe: 383 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-492-07262-5, 24,00 Euro

Von Hans Klumbies