Gruppen bestrafen diejenigen, die das Gemeinwohl der Gemeinschaft mit Klatsch untergraben. Für viele gehört Klatsch sogar zu den Todsünden. Der Heilige Paulus ordnete „üble Nachrede“, Überheblichkeit und Hochmut zusammen mit Mord und Unzucht unter die Laster ein, die schärfste Strafen verdienen. Dacher Keltner fügt hinzu: „Lehrer fordern ihre Schüler immer wieder auf, keine Gerüchte und Klatschgeschichten zu verbreiten und nicht verschwörerisch mit ihren Freunden zu flüstern.“ Dafür gibt es einen guten Grund: Klatsch kann in einer Weise verletzen und demütigen, die sogar das Leben verkürzt. Kein Wunder, dass sich die meisten Menschen dagegen sträuben, für ein Klatschmaul gehalten zu werden. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.
Klatsch unterstreicht die Fehler eines Charakters
Aber dieser besondere Einsatz von Klatsch, der typisch für die ist, die ihre Macht missbrauchen, bestätigt die Regel nicht. Vielmehr ist Klatsch ein uraltes und universelles Mittel, mit dem Gruppen Macht verleihen und entziehen, indem sie bestimmte Mitglieder als Zielscheibe aussuchen und die Machtinhaber unter Kontrolle halten. Dacher Keltner erläutert: „Klatsch besteht darin, die Fähigkeit einer Person, für das Gemeinwohl zu sorgen, zu formulieren und dies den anderen mitzuteilen. Wir erzählen in Klatschgeschichten, was der wahre Charakter einer Person sein könnte.“
Klatsch unterstreicht Fehler des Charakters, die gegen die Prinzipien verstoßen, die dem Gemeinwohl dienen. Klatsch ist also die Art und Weise, wie ein soziales Netz die Reputation einer Person beurteilt und herausbildet. Er zielt insbesondere auf die, die nach Macht streben und Einfluss im Sinne Niccolò Machiavelli nehmen wollen. Der politische Klatsch schießt sich darauf ein, ob ein Politiker Dinge tut, die gegen die Kultur und damit gegen die Grundlage des Gemeinwohls gerichtet sind. Beim vernichtendsten Klatsch geht es um Selbstsucht, Verrat und um sozial zerstörerische Handlungen.
Der Klatsch wandert zu den Personen mit der größten Macht
Die Verbreitung von Klatsch in den sozialen Netzen verstärkt seine Wirksamkeit, dem Ruf derjenigen zu schaden, die wenig zur Förderung des Gemeinwohls beitragen. In der heutigen digitalen Welt breiten sich Klatsch und damit die Förderung oder Schädigung des Rufs auf Websites und Blogs aus. Im Schnitt gibt man jede Klatschgeschichte, die man erfährt, an zwei, drei Leute weiter, und zwar typischerweise an Leute mit hohem Status, die gut vernetzt sind. Der Klatsch wandert demnach zu Personen, die die größte Macht haben, den Ruf anderer zu definieren oder zu beschädigen.
Die Besessenheit, Informationen über den Ruf der Mitmenschen weiterzugeben, hat ihren Preis: in Form von Eingriffen ins Privatleben, über Verwechslungen und Mobbing bis zu allen indirekten Arten von Unterdrückung. Dacher Keltner stellt fest: „Die meisten von uns waren schon einmal das falsche Ziel von Klatsch und haben darunter gelitten. Aber im Ganzen gesehen wiegen die Segnungen, Gruppen zu erlauben, über den Ruf anderer frei zu berichten, diese Nachteile letztlich auf.“ Quelle: „Das Macht-Paradox“ von Dacher Keltner
Von Hans Klumbies