Menschen müssen das Umdenken lernen

Die meisten Menschen sind stolz auf ihr Wissen und ihre Sachkompetenz und darauf, dass sie ihren Überzeugungen und Meinungen treu bleiben. Adam Grant weiß: „Das ergibt Sinn in einer stabilen Welt, in der man dafür belohnt wird, von seinen Ideen überzeugt zu sein.“ Das Problem ist jedoch, dass die Welt sich heutzutage atemberaubend schnell verändert. Deshalb müssen Menschen genauso viel Zeit mit Umdenken verbringen, wie sie Zeit mit Denken verbringen. Umdenken ist eine Fähigkeit, aber auch eine Geisteshaltung. Menschen verfügen bereits über viele mentale Werkzeuge, die sie dazu brauchen. Angesichts des verbesserten Zugangs zu Informationen und Technologie nimmt Wissen nicht einfach zu. Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School. Er ist Autor mehrerer internationaler Bestseller, die in 35 Sprachen übersetzt wurden.

Von überholten Fakten sollte man sich trennen

Das Wissen nimmt immer mehr zu. Im Jahr 2011 konsumierten viele Menschen fast fünfmal so viele Informationen pro Tag wie nur ein Vierteljahrhundert zuvor. Der immer schneller voranschreitende Wandel bedeutet, dass Menschen ihre Überzeugungen schneller hinterfragen müssen als je zuvor. Das ist keine leichte Aufgabe. Adam Grant stellt fest: „Unsere Überzeugungen neigen dazu, im Laufe der Zeit immer extremer und verwurzelter zu werden.“ Im Bildungswesen dauert es nach historischen Enthüllungen und wissenschaftlichen Revolution oft Jahre, bis man einen Lehrplan aktualisiert und Lehrbücher überarbeitet.

Alte Schallplatten, Oldtimer und antike Uhren mögen wertvolle Sammelstücke sein, doch überholte Fakten sind geistige Fossilien, von denen man sich am besten trennt. Jeder erkennt schnell, wenn andere Menschen umdenken müssen. Man stellt das Urteil von Experten infrage, wann immer man eine zweite Meinung zu einer medizinischen Diagnose einholt. Doch wenn es um das eigene Wissen und um die eigene Meinung geht, zieht man leider oft das richtige Gefühl dem richtigen Wissen vor.

Adam Grant erklärt: „Im Alltagsleben stellen wir viele eigene Diagnosen, ob es darum geht, wen wir einstellen oder auch, wen wir heiraten. Wir müssen die Gewohnheit entwickeln, und selbst zweite Meinungen zu bilden.“ Vor etwa 20 Jahren entdeckte Phil Tetlock, ein Kollege von Gary Grant, etwas Eigenartiges. Während man denkt und redet, verfällt man oft in die Denkweise von drei verschiedenen Berufsgruppen: Predigern, Staatsanwälten und Politikern.

Mit jeder dieser drei Denkweisen nimmt man eine bestimmte Identität an und verwendet bestimmte Tools. Man schaltet in den Predigermodus, wenn Überzeugungen in Gefahr sind, die einem heilig sind. Man hält Predigten, um die eigenen Ideale zu schützen und zu propagieren. Menschen schlüpfen in den Modus des Staatsanwalts, wenn sie Fehler in der Argumentation anderer entdecken. Man wechselt in den Politikermodus, wenn man ein Publikum überzeugen will: Man kämpft um die Zustimmung seiner Wählerschaft. Quelle: „Think again“ von Adam Grant

Von Hans Klumbies