Menschen können ihr Schicksal selbst bestimmen

Wahrscheinlichkeit ist keine neue Idee. Es gibt schon lange die Vorstellung, dass die Menschen der Zukunft nicht passiv entgegensehen müssen. Sondern sie können ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Dies wurde einstmals als Selbstbehauptung gegen die Götter gesehen sowie gegen die unergründliche Natur. Es ist für Jonathan Aldred kein Zufall, dass moderne Konzepte über Wahrscheinlichkeiten sich in der westlichen Gesellschaft gegen Ende des 18. Jahrhunderts endgültig durchsetzen. Denn dies geschah zu einer Zeit, als der eiserne Griff der Kirche sich durch den Triumph der Aufklärung zu lockern begann. Probabilistisches Denken stand für den zuversichtlichen Glauben, die stoische Unterwerfung unter Ungewissheiten durch Fortschritt hinter sich lassen zu können. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Es gibt berechenbare und unberechenbare Ungewissheiten

Jonathan Aldred weiß: „Es kommt immer wieder zu unerwarteten Ereignissen. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Ungewissheit zurück und machte sich sehr deutlich bemerkbar.“ In den Nachwirren des Krieges meldeten zwei Ökonomen Vorbehalte gegen das orthodoxe probabilistische Denken an. Einer der beiden war Frank Knight, ein Ökonom und Vordenker der Chicagoer Schule. Er machte eine kritische Unterscheidung zwischen dem, was er „berechenbare“ und „unberechenbare“ Ungewissheit nannte.

Berechenbare Ungewissheit, so Frank Knight, tritt zum Beispiel bei Glücksspielen auf. Zudem in allen Situationen, in denen man die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen aus deren relativen Häufigkeit berechnen kann. Unberechenbare Ungewissheiten sind dagegen alles andere. Nämlich von reiner Ungewissheit geprägte Situationen, bei denen keinerlei Informationen über relative Häufigkeiten zur Verfügung stehen. In Großbritannien machte John Maynard Keynes eine ähnliche Untersuchung wie Frank Knight.

Frank P. Ramsey war ein Genie

Diese war allerdings in eine eigenwillige und umstrittene Wahrscheinlichkeitstheorie eingebettet. Sowohl Frank Knight als auch John Maynard Keynes machten auf die grundsätzliche Grenze des probabilistischen Denkens aufmerksam. Jonathan Aldred erklärt: „In manchen Situationen haben wir keine Informationen über Wahrscheinlichkeiten, sodass die Ungewissheit unkalkulierbar ist.“ Seit der Zeit der Renaissance wurde es durch die fortschreitende Kumulation von menschlichem Wissen unvermeidlich, sich zu spezialisieren.

Der Renaissancemensch mag inzwischen ausgestorben sein, doch man kann sagen, dass Frank P. Ramsey einer der letzten Vertreter dieser Spezies war. Er verkehrte unter Genies. Seine wichtigsten intellektuellen Schriftwechsel führte er mit John Maynard Keynes und Ludwig Wittgenstein. Beide haben von Frank P. Ramsey gelernt, der tiefgründige und originäre Beiträge zu Philosophie, Ökonomik und Mathematik leistete. Frank P. Ramsey hatte Ludwig Wittgenstein kennengelernt, weil er die erste Übersetzung des „Tractatus“ in die englische Sprache angefertigt hatte. Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred

Von Hans Klumbies