Digital ersetzt analog

Die zunächst analoge Entwicklung des Computers ging ganz urwüchsig aus dem mechanischen Weltbild und dem ihm innewohnenden Beschleunigungswahn hervor. Damit trat ein neues Prinzip mit der Räderwerkslogik in Konkurrenz. Die analoge Technik ersetzte man dann durch eine digitale Datenübertragung. Mit deren Hilfe können alle Informationen durch eine je eigene Kombination von nur zwei Zuständen beschrieben werden. Nämlich mit „ein“ und „aus“, anwesend und abwesend, 1 und 0. Damit eröffnete sich ein völlig neuer Horizont. Daniel Goeudevert stellt fest: „Mit diesem binären Zeichensystem wurde das Räderwerk praktisch obsolet.“ Man ersetze es durch die sehr viel einfachere und beliebig einsetzbare wie variable Lochkarte. Damit begann eine neue Zukunft. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Das Zauberwort der digitalen Welt heißt Information

Digitalisierung meint einen Prozess, in dessen Verlauf Bilder, Töne, Texte und alle anderen etwa von Sensoren erfassbare Daten in distinkte Signale umgewandelt werden. Mit anderen Worten in einzelne Bits, die sich jederzeit wieder in ihre Ausgangsgestalt rückübersetzen lassen. Und zwar, anders als bei analogen Kopien oder Übertragungen, ohne jeden Qualitätsverlust, ohne jede einzige Abweichung vom „Original“. Was daraus folgt wird laut Daniel Goeudevert aber weiterhin gründlich unterschätzt.

Es bedeutet, dass alles, was sich digitalisieren lässt – Produkte, Dienstleistungen, Tätigkeiten, die definierbaren Regeln folgen –, im Überfluss vorhanden ist. Die für Kapitalismus und Marktwirtschaft so grundlegende etwa preisbildende Kategorie der „Knappheit“ ist damit passé. Das neue Zauberwort der digitalen Welt heißt „Information“, und die Zauberformel für diese neue Ära liefert die Kybernetik. Das Universum, die Natur und der Mensch sind nun Resultate des Zufalls sowie das Ergebnis eines permanenten Informationsaustausches und sich selbst steuernder Rückkopplungsmechanismen.

Der Computer ist eine „lernende Maschine“

Ja, Daniel Goeudevert weiß, dass das nicht sehr anwendungsorientiert klingt, sondern ziemlich kompliziert und abgedreht. Es markiert aber tatsächlich einen wiederum weltbildverändernden Einschritt: „Auch wir fallen gerade aus der uns vertrauten Zeit.“ Das neue Informationsuniversum dehnt sich permanent aus. Jede Information erzeugt eine neue Information und damit im Prinzip neues Wissen und eine höhere Stufe des Bewusstseins. Daraus resultiert eine permanente Veränderung.

Das immer gleiche Räderwerk verwandelt sich in einen sich ständig selbst verbessernden Code. Wohin das führt, ist noch nicht wirklich absehbar. Es lässt aber Zukunftsfantasien sprießen, die nichts Gutes ahnen lassen. Zu den Grundlagen zählt, dass der Computer eine „lernende Maschine“ ist. Seine Lernfähigkeit beruht dabei auf den Rückkopplungsmechanismen, den sogenannten Feedbackschleifen. Diese sorgen dafür, dass Systeme quasi selbsttätig immer effizienter werden. Das ist gewissermaßen der kybernetische Beitrag zu Digitalisierung. Quelle: „Sackgasse“ von Daniel Goeudevert

Von Hans Klumbies