Menschliche Säuglinge sind hilflos

Das Gehirn von Menschenbabys ist bei der Geburt „unausgereift“. Es benötigt Jahre der Feinabstimmung, um zur Reife zu gelangen. Deshalb sind menschliche Säuglinge hilflos. Menschen benötigen einige Jahre, bevor sie ohne Hilfe und sicher gehen, und noch viele weitere Jahre, bis sie sich materiell selbst versorgen können. Oded Galor stellt fest: „Doch ungeachtet dieser Nachteile stellt sich die Frage, was überhaupt zur Entwicklung des menschlichen Gehirns geführt hat. Forschern zufolge könnten verschiedene Kräfte gemeinsam zu diesem Prozess beigetragen haben.“ Der „ökologischen Hypothese“ nach ist die Entwicklung des menschlichen Gehirns darauf zurückzuführen, dass der Homo sapiens bestimmten Herausforderungen durch die Umwelt ausgesetzt war. Der renommierte Ökonom Oded Galor untersucht in seinem neuen Buch „The Journey of Humanity“ die Entwicklungen die zu Wohlstand und Ungleichheit führten.

Ein höher entwickeltes Gehirn hat die Fähigkeit zur Sprache gefördert

Die klimatischen Bedingungen und die jeweils angepassten Tierpopulationen änderten sich immer wieder. Deshalb seien prähistorische Menschen mit höher entwickelten Gehirnen besser in der Lage gewesen, sich neue Nahrungsquellen zu erschließen. Zudem konnten sie sich Jagd- und Sammelstrategien aneignen und Koch- und Lagertechniken ausbilden. Das sind alles Fähigkeiten, die ihnen das Überleben und Gedeihen unter den unsteten ökologischen Bedingungen ihres lokalen Lebensraums ermöglichten.

Oded Galor erläutert: „Die „soziale Hypothese“ hingegen geht davon aus, dass die zunehmende Notwendigkeit, innerhalb komplexer sozialer Strukturen mit anderen Menschen zu kooperieren, zu konkurrieren und Handel zu treiben, einem höher entwickelten Gehirn mit seiner Fähigkeit, die Motive anderer zu verstehen und ihre Reaktionen vorauszusehen, einen evolutionären Vorteil verschaffte.“ Ebenso habe die Fähigkeit, zu überreden, zu manipulieren, zu schmeicheln, zu erzählen und zu unterhalten, die Entwicklung des Gehirns und der Fähigkeit zur Sprache und zum Diskurs gefördert.

Das Gehirn des Menschen verfügt über ein unvergleichliches Lernpotenzial

Die „kulturelle Hypothese“ schließlich betont die Eignung des menschlichen Gehirns, Informationen aufzunehmen und zu speichern. So können diese von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Oded Galor fügt hinzu: „Demnach bestehe einer der einzigartigen Vorteile des menschlichen Gehirns in seiner Fähigkeit, effizient aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Dadurch kann es sich Gewohnheiten und Vorlieben aneignen, die das Überleben in unterschiedlichen Umgebungen begünstigen.“ Dabei ist es nicht auf den viel langsameren Prozess der biologischen Anpassung angewiesen.

Anders gesagt: Menschenbabys mögen körperlich hilflos sein, aber ihre Gehirne verfügen über ein unvergleichliches Lernpotenzial. Dazu zählt auch die Gabe, die Verhaltensnormen – die Kultur – zu übernehme und zu bewahren. Diese ermöglichten zum einen ihren Vorfahren das Überleben und zum anderen verhelfen sie ihren Nachkommen zu einem guten Leben. Ein Mechanismus, der darüber hinaus zur Entwicklung des Gehirns beigetragen haben könnte, ist die „sexuelle Selektion“. Quelle: „The Journey of Humanity“ von Oded Galor

Von Hans Klumbies