Identitätspolitik darf keine Kampfzone sein

Es gibt das Kollektiv, und gleichzeitig ist dieses eine Illusion. Und damit ist Identitätspolitik auch etwas, das auf unterschiedliche Art und Weise von Menschen praktiziert wird. Übrigens auch von denjenigen, die das bisher Gängige zu schützen versuchen und wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Hadija Haruna-Oelker ergänzt: „Auch die Norm und ein was normal ist erhalten zu wollen beschreiben einen identitätspolitischen Zustand.“ Wie also miteinander umgehen, übereinander sprechen und miteinander sein? Am Ende geht es ganz simpel um diese Fragen. Hadija Haruna-Oelker plädiert dafür, nicht gleich eine Kampfzone daraus zu machen. Die erste Prämisse wäre: nicht davon ausgehen, dass es primär um Erlaubnisse oder Verbote geht. Hadija Haruna-Oelker lebt als Autorin, Redakteurin und Moderatorin in Frankfurt am Main. Hauptsächlich arbeitet sie für den Hessischen Rundfunk.

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Die Aufklärung muss sich gegen Cancel Culture verteidigen

Die Stärke des aufklärerischen Projekts ist zugleich ihre Schwäche. Im Vertrauen auf die menschliche Vernunftfähigkeit nimmt sie ihre Kritiker als Gesprächspartner ernst und bekämpft sie nicht als Feinde. Julian Nida-Rümelin ergänzt: „Ihre Stärke beruht auf ihrer Universalität und Inklusivität, ihre Schwäche ebenso. Wenn sie sich mit den Mitteln ihrer Feinde, zu denen Cancel Culture ganz wesentlich gehört, verteidigen würde, gäbe sie sich selbst auf. Sie muss sich verteidigen, ohne ihre eigenen Grundlagen zu gefährden.“ Unter Cancel Culture versteht Julian Nida-Rümelin eine kulturelle Praxis, die Menschen abweichender Meinungen zum Schweigen bringt, indem sie erstens die Äußerung dieser Meinungen unterbindet, behindert oder zumindest erschwert. Zweitens, indem sie Personen, die diese Meinung haben, zum Schweigen bringt, aus dem Diskurs ausgrenzt oder zumindest marginalisiert. Julian Nida-Rümelin gehört zu den renommiertesten deutschen Philosophen und „public intellectuals“.

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