Der Leib ist das Gefängnis der Seele

Platon hielt den Leib für ein Gefängnis beziehungsweise ein Grabmal der menschlichen Seele. Markus Gabriel fügt hinzu: „Insbesondere in seinem Dialog „Phaidon“ hat er für die Unsterblichkeit der Seele argumentiert.“ Das haben dann die Kirchenväter des Christentums später aufgegriffen, womit der Platonismus und das Christentum verschmolzen sind. Die Bibel lehrt im kanonischen Text, der heute vorliegt, übrigens nirgends eindeutig die Unsterblichkeit der Seele, sondern die Auferstehung der Leiber. Einen Himmel und eine Hölle, in der völlig leiblose Seelen aufbewahrt sind, wird man im Text der Bibel vergeblich suchen. So haben die Menschen der Bibel zufolge in der Hölle auch einen Leib. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Beim Denken handelt es sich um einen Sinn

Die Vorstellung von einer unsterblichen Seele stammt vermutlich aus Ägypten. Von dort findet sie Eingang in Platons Überlegungen und wird maßgeblich im spätantiken Platonismus zu einer Theorie ausgearbeitet. Laut Markus Gabriel übersehen sowohl die Verfechter als auch die Bestreiter der Unsterblichkeit der Seele den eigentlichen philosophischen Schauplatz. Das liegt daran, dass man das menschliche Denken nicht als einen Sinn anerkennt, sondern es dem sinnlichen Leben entgegensetzt.

Markus Gabriel wirft einige grundlegenden Fragen auf: Ist es möglich, dass etwas denkt, das keine biologische Grundlage hat? Können Computer, unsterbliche Seelen und Gott überhaupt denken? Wenn denken wesentlich biologisch ist, ist dies ausgeschlossen. Computer, unsterbliche Seelen und Gott hören und schmecken schließlich auch nichts. Denn ihnen geht die dazu geeignete Ausrüstung ab. Dies führt Markus Gabriel zu einer weiteren Hauptthese, dem biologischen Externalismus.

Das Denken kann man nur im Denken erfassen

Der biologische Externalismus ist die These, dass die Ausdrücke, sich wesentlich auf etwas beziehen, das biologische Anteile hat. Markus Gabriel nennt diese Ausdrücke Denkwörter. Zu den Denkwörtern gehören neben Denken: Intelligenz, Scharfsinn, Klugheit, Meinen, Grübeln, Vermuten und so weiter. Verschiedene Sprachen haben verschiedene Denkwörter. Außerdem verfügen verschiedene Sprecher über verschiedene Denkwörter. Die Denkwörter einer Sprache beziehungsweise eines Sprechers bilden zusammen ein Vokabular.

Dieses Vokabular bezeichnet Markus Gabriel als noetisches Vokabular. Dieses variiert diachron – über die Zeiten hinweg – als auch synchron – zu jeder Zeit gibt es verschiedene Sprachen und Sprecher. Deshalb kann man nicht einfach aus seinem noetischen Vokabular aussteigen und einen vollständigen Katalog aller Denkwörter herstellen, denen man dann jeweils wie ein einem perfekten Wörterbuch eindeutige Bedeutungen zuweist. Markus Gabriel stellt fest: „Wir können unser Denken nur im Denken erfassen. Da das Denken ein Sinn ist, sind wir in der Frage, was das Denken ist, fehlbar.“ Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies