Platon begründete eine eigene Denkschule

Platon war der erste Philosoph, der ein größeres schriftliches Werk hinterlassen hat. Damit konnte er eine Tradition begründen. Mit dieser konnten sich zahllose Autoren über Jahrtausende hinweg auseinandersetzen und identifizieren. Jedoch gab es in der Antike auch schon Philosophen, die ganz andere Ansätze verfolgten. Zu ihnen zählten die Sophisten, Epikur, oder der Skeptiker Pyrrhon von Ellis. Axel Braig weiß: „Erst recht wurde die Tradition Platons in der Neuzeit von einer ganzen Reihe Denkern verlassen und dies jeweils in ganz verschiedener Hinsicht.“ Angelsächsische Philosophen wie Bacon, Hobbes, Berkeley, Hume, Peirce und Dewey ersetzten im Laufe der vergangenen Jahrhunderte den Idealismus Platons durch eine Hinwendung zu einer mehr an Erfahrung orientierten, pragmatischen Denkweise. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

Kant wollte den Idealismus und den Empirismus in einem System vereinen

Immanuel Kant hat den großen Versuch unternommen, den platonischen Idealismus und den angelsächsischen Empirismus in einem philosophischen System zu vereinen. Dabei begibt er sich jedoch, wie die Begründung des kategorischen Imperativs belegt, letztlich auf die Seite des Idealismus. Damit konnte er aber nicht die Weiterentwicklung des erfahrungsorientierten empiristischen Denkens verhindern. Schon im 17. Jahrhundert hatte Blaise Pascal eine andere philosophische Traditionslinie begonnen.

Ihr folgten spätere Denker wie Kierkegaard, Schopenhauer, Nietzsche, Heidegger und die französischen Existenzialisten Sartre und Camus. Sie verlagerten den Fokus des Interesses weg vom großen Ganzen hin zur Existenz des Individuums. Schließlich führten Hegel und Marx in ihrem prozesshaften dialektischen Denken die historische Dimension in die Philosophie ein. Damit untergruben sie ihrerseits die platonische Vorstellung von der ewigen Unveränderlichkeit der Wahrheit. Einen weiteren Schritt, hin zur Emanzipation der Philosophie von Platon, ging Wittgenstein mit seiner sprachanalytischen Philosophie.

Die Philosophen haben sich von der Dominanz Platons längst befreit

Er beschrieb dabei die Sprache in seinem Spätwerk in ihren realen, alltäglichen Funktionen. Damit gab er die platonische Idee auf, dass sich hinter Worten und Begriffen ein einziges geheimes Wesen verberge, das es zu entdecken gelte. Alex Braig stellt fest: „Die Philosophen gingen zwar in den letzten Jahrhunderten viele verschiedene Wege, doch die allermeisten haben sich von der Dominanz Platons längst befreit. Dieser Prozess verlief nicht immer so polemisch wie im Falle Nietzsches.“

Allerdings sieht Axel Braig eine ganz entscheidende Einschränkung, welche der Emanzipation von Platon entgegensteht: „Obwohl der in der aktuellen philosophischen Diskussion keine dominierende Rolle mehr einnimmt, meine ich, sowohl bei mir selbst als auch bei anderen, häufig dennoch Überreste des Platonismus im alltäglichen Bewusstsein zu entdecken.“ Friedrich Nietzsche hat einmal polemisch behauptet, dass das Christentum „Platonismus fürs Volk“ sei. Quelle: „Über die Sinne des Lebens und ob es sie gibt“ von Axel Braig

Von Hans Klumbies