Die Wähler sind unberechenbar geworden

Ein Phänomen erobert gerade die westlichen Demokratien: die Wutwähler. Die Wut richtet sich gegen die Eliten in der Politik und der Wirtschaft, gegen die etablierten Parteien, die Mainstream-Medien, gegen Freihandel und natürlich gegen Einwanderung. Viele Brexiteers in Großbritannien, Anhänger von Donald Trump in den USA oder Wähler von Marie Le Pen in Frankreich. „Take back control“, die Kontrolle zurückgewinnen, war die Parole der Befürworter des Brexits. Es könnte der Hilferuf aller Wutwähler weltweit sein. In einer Zeit, in der zunehmend komplexe Freihandelsverträge oder unbekannte EU-Kommissare über die eigenen Lebensbedingungen bestimmen, sehnen sie sich wieder nach Grenzen, nach nationaler Gesetzgebung, einer abgeschotteten Wirtschaft. Es gibt dieses Phänomen nicht erst seit gestern. Aber die Wut hat in diesem Jahr einen Siedepunkt erreicht, befeuert von der Finanzkrise und der Eurokrise, von der Destabilisierung des Nahen Ostens und den daraus folgenden Flüchtlingsströmen, vom Aufstieg Chinas und der Deindustrialisierung der vergangenen Jahrzehnte.

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Populisten sind auf der ganzen Welt auf dem Vormarsch

In der Türkei ist mit Recep Tayyip Erdoğan ein Staatspräsident an die Macht gelangt, der zwar demokratisch gewählt wurde, aber die Demokratie mit Füßen tritt, um seinen Anspruch auf Alleinherrschaft zu zementieren. Auch in Deutschland sammelt die AfD alle jene ein, die sich maßlos ärgern, dass es zur „Alternativlosigkeit“ Angela Merkels keine Alternative geben soll. Dass diese Bewegung so eine Dynamik erlangt hat, ist nach Erkenntnissen von Experten auch auf den Einfluss der Massenmedien zurückzuführen, in deren Berichterstattung fast nur noch das Negative dominiert. Die Wirklichkeit werde als gigantisches Versagen dargestellt und die Strukturen dieser nach oben offenen Pleitenskala prägten schon seit langem den öffentlichen Diskurs. Wie die Populisten verfolgten auch die Massenmedien im Grunde nur ein Ziel: Aufmerksam um jeden Preis.

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Ulrich Beck analysiert die Lage zwischen den Geschlechtern

Zur Kennzeichnung der Beziehungssituation zwischen den Geschlechtern wird laut Ulrich Beck immer häufiger auf ein wenig friedfertiges Vokabular zurückgegriffen. Wer hinter der Sprache die Wirklichkeit zu erkennen meint, muss feststellen, dass Liebe und Intimität möglicherweise in ihr Gegenteil umgeschlagen sind. Dies verweist auf eine tiefe Verunsicherung und Verletztheit. Ulrich Beck spricht sogar von einer bewaffneten Ratlosigkeit, mit denen sich Männer und Frauen im Alltag von Ehe und Familie, wenn überhaupt etwas davon übriggeblieben ist, gegenüberstehen. Wer über Familie redet, muss nach Ulrich Beck auch über Arbeit und Geld reden, wer über Ehe redet, muss über Ausbildung, Beruf und Mobilität sprechen und zwar über Ungleichverteilungen bei gleichen Bildungsvoraussetzungen. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Carlo Petrini will mit Slow Food die Welt besser machen

Carlo Petrini hat die Feinschmecker-Bewegung Slow Food gegründet. Kochsendungen im Fernsehen findet er unerträglich, da es dort um das Essen, den Genuss und um Lebensmittel gar nicht mehr gehe. Carlo Petrini schimpft: „Das Essen hat in den vergangenen fünfzig Jahren stetig an Wert verloren. Es ist zur Ware verkommen, zum reinen Handelsgut. Heute zählt nur noch der Preis. Als Gründer und Präsident der Organisation Slow Food setzt sich Carlo Petrini für genussvolles, bewusstes und regionales Essen ein sowie für die Erhaltung der Artenvielfalt und für umweltverträgliche Produktionsweisen. Heute zählt Slow Food auf der ganzen Welt mehr als 100.000 Mitglieder. Der Genussmensch Carlo Petrini, aus dem kleinen Ort Bra, im italienischen Piemont gelegen, hat eine ehrgeizige Mission – er will die Welt besser machen. Daran sind allerdings schon viele vor ihm gescheitert.

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Die Wendung des Menschen zu sich selbst verleiht ihm Sinn

Wenn der Mensch an der Existenz Gottes zu zweifeln beginnt, wenn die Weltvernunft ihm verblasst, ihm selbst die Natur bei aller äußeren Annäherung ihm innerlich fremd bleibt und in seinem Leben eine innere Leere zurücklässt, bleibt ihm laut Rudolf Eucken nur noch ein einziger Weg übrig, um seinem Dasein einen Sinn und Wert zu verleihen: die Wendung des Menschen zu sich selbst, die Durchbildung seines eigenen Kreises zur Betätigung aller Kraft und zu möglichst großem Glück. Das eröffnet dem Menschen eine neue Art von Leben und Sein. Denn von jetzt an wird er ganz und gar in das sichtbare Dasein gestellt, jetzt kann er unbeschränkt die hier vorhandenen Kräfte entfalten und ungehemmt alle Wege gehen. Der deutsche Philosoph Rudolf Eucken, der von 1846 bis 1926 lebte, wurde im Jahr 1908 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

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Tony Judt beklagt die Privatisierung von Staatsbetrieben

Eine allgemeine Folge der geistigen Wende, die das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts geprägt hat, ist für Tony Judt die Verherrlichung des Privatunternehmers und der Privatisierungskult. Für die Anhänger dieser Ideen ist die Abschaffung staatlicher Dienstleistungen rein pragmatisch gewesen. Man verspricht sich in Zeiten knapper öffentlicher Kassen, Einsparungen. Unwirtschaftliche Staatsunternehmen oder teure öffentliche Dienstleistungsbetriebe wie zum Beispiel Wasserwerke oder Eisenbahn werden privatisiert. Auf diese Weise fließt sofort Geld in die leeren öffentlichen Kassen und durch das Interesse der neuen Eigentümer am Profit steht das privatisierte Unternehmen bald viel effizienter da. Auf den ersten Blick ist die Privatisierung gemäß Tony Judt eine Abkehr von der politischen Ideologie und eine Hinwendung zu strikter Wirtschaftlichkeit.

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