Ulrich Beck analysiert die Lage zwischen den Geschlechtern

Zur Kennzeichnung der Beziehungssituation zwischen den Geschlechtern wird laut Ulrich Beck immer häufiger auf ein wenig friedfertiges Vokabular zurückgegriffen. Wer hinter der Sprache die Wirklichkeit zu erkennen meint, muss feststellen, dass Liebe und Intimität möglicherweise in ihr Gegenteil umgeschlagen sind. Dies verweist auf eine tiefe Verunsicherung und Verletztheit. Ulrich Beck spricht sogar von einer bewaffneten Ratlosigkeit, mit denen sich Männer und Frauen im Alltag von Ehe und Familie, wenn überhaupt etwas davon übriggeblieben ist, gegenüberstehen. Wer über Familie redet, muss nach Ulrich Beck auch über Arbeit und Geld reden, wer über Ehe redet, muss über Ausbildung, Beruf und Mobilität sprechen und zwar über Ungleichverteilungen bei gleichen Bildungsvoraussetzungen. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

Junge Frauen erwarten mehr Gleichheit und Partnerschaft in Beruf und Familie

Einerseits haben sich für Ulrich Beck epochale Veränderungen, insbesondere in den Bereichen Sexualität, Recht und Bildung vollzogen. In der Summe sind das seiner Meinung nach aber vor allem Neuerungen im Bewusstsein und auf dem Papier. Andererseits steht dem ein Konstanz im Verhalten und in den Lagen von Männern und Frauen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, aber auch in der sozialen Sicherung, gegenüber. Ulrich Beck erläutert: „Das hat den – scheinbar paradoxen – Effekt, dass ein Mehr an Gleichheit die fortbestehenden und sich verschärfenden Ungleichheiten noch deutlicher ins Bewusstsein hebt.“

Die jungen Frauen haben, in der Angleichung der Bildung und in der Bewusstwerdung ihrer Lage, Erwartungen auf mehr Gleichheit und Partnerschaft in Beruf und Familie aufgebaut, die auf gegenläufige Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und im Verhalten der Männer treffen. Die Männer haben umgekehrt sich eine Rhetorik der Gleichheit angeeignet, ohne ihren Worten Taten folgen zu lassen. Ulrich Beck stellt fest: „Auf beiden Seiten ist das Eis der Illusionen dünn geworden.“

Die Zwänge des Zusammenlebens sind überall aufgebrochen worden

Ulrich Beck vertritt die These, dass bei Angleichung der Voraussetzungen in Bildung und Recht, die Lagen zwischen Männern und Frauen zugleich ungleicher, bewusster und legitimationsloser werden. Die Widersprüche zwischen weiblicher Erwartung der Gleichheit und der Wirklichkeit der Ungleichheit, zwischen männlichen Parolen der Gemeinsamkeit und Festhalten an den alten Zuweisungen spitzen sich zu. Ulrich Beck erläutert: „Das Bewusstsein ist den Verhältnissen vorweggeeilt.“

Viel spricht für die Prognose eines langen Konflikts zwischen Männern und Frauen. Inzwischen sind außerfamiliale und außerrechtliche Formen des Zusammenlebens zur Normalität geworden und signalisieren, vielleicht noch mehr als das Phänomen selbst, das Tempo des Wandels in Ehe und Familie. In allen Bezugspunkten sind die Zwänge des Zusammenlebens aufgebrochen worden. Nichts ist mehr klar. Alle Planungen und Absprachen unter Paaren sind prinzipiell jederzeit kündbar und damit in den mehr oder weniger ungleichen Belastungen, die in ihnen enthalten sind.

Von Hans Klumbies

 

 

 

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