Die Erfindung des Buchdrucks veränderte die Welt

Die Erfindung des Buchdrucks in den 1450er Jahren veränderte die Welt. Sie machte aus Büchern „fliegende Teppiche“ und verlieht Texten „buchstäblich Flügel“. Diese Revolution war weitreichend und unumkehrbar. Helmut Walser Smith erklärt: „Der Buchdruck verschaffte der Sprache eine neue Dauerhaftigkeit, weil er die Sprachdrift aufhielt und Zerfall sowie Zersplitterung neuer Erkenntnisse verlangsamte.“ Wörter wurden von ihrem Verfasser getrennt und gewannen ein Eigenleben. Auf einer Seite angeordnet, ließen sie sich leichter analysieren und sezieren, widerlegen und verbessern. Zudem verschaffte die Druckerpresse Ideen ein breiteres Publikum, nicht nur in den großen Städten, sondern auch in kleineren Orten und Dörfern. Dort trugen lesekundige Menschen die Bücher laut vor und ersetzten so den Geschichtenerzähler. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

Der gedruckte Kalender veränderte das Zeitempfinden

Überdies ließen sich nicht nur Wörter, sondern auch Bilder reproduzieren, wodurch exakt wiederholbare bildliche Aussagen entstanden. Im Gegensatz zu handschriftlichen Kopien ließen sich die Repliken von Bildern ohne wirklichen Qualitätsverlust herstellen. Gelehrte konnten sie vergleichen und korrigieren. Dieser Übergang hatte in fast allen Bereichen tiefgreifende Folgen und veränderte sogar das Raum- und Zeitempfinden. Bevor das gedruckte Wort breit verfügbar war, wussten viele Menschen nicht, in welchem Jahr des Herrn sie gerade lebten.

Die meisten Menschen hatten keine Vorstellung davon, wo sie geboren worden waren. Und das Leben und die Arbeit wurden in ihrem Gang von einer religiösen und nicht einer numerischen Zeitrechnung bestimmt. Doch als gedruckte Kalender weithin verfügbar waren, trat die abstrakte numerische Zeit neben christliche Formen der Zeitrechnung und ersetzte sie allmählich. Helmut Walser Smith ergänzt: „Immer mehr Menschen unterteilten die Zeit nach Jahrhunderten, Dekaden und Kalenderjahren, nach Monaten und Tagen und, mit der Ausbreitung von Gleichgewichtsuhren an Kirchtürmen, nach Stunden.“

Landkarten förderten das geographische Wissen

Auch bei den räumlichen Mentalitäten kam es zu einer langsamen, aber signifikanten Verschiebung. Landkarten erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Forscher schätzen, dass zwischen 1400 und 1472 nur ein paar tausend Karten in Umlauf waren. Nach der Erfindung des Buchdrucks stieg diese Zahl zwischen 1472 und 1500 auf schätzungsweise 56.000 und ging bis Ende des 16. Jahrhunderts vielleicht sogar in die Millionen. Karten beförderten das geographische Wissen, halfen beim Studium der Geschichte und fungierten als Gedächtnisstütze.

Wo Karten in Häusern zur Schau gestellt wurden, kündeten sie von den humanistischen Interessen, der Weltläufigkeit und dem Patriotismus des Besitzers. Sie waren zudem für die Reiseplanung von Nutzen. Zwischen 1470 und 1600 stellten gut zwei Drittel aller gedruckten Karten Europa und dessen Länder dar. Der Rest bildete andere Kontinente, die Neue Welt, das Heilige Land und die Weltmeere ab. Die Karten vermittelten neues Wissen über den Verlauf von Küstenlinien, die Gestalt von Nationen und die relative Lage von Städten, Gewässern und Gebirgen. Quelle: „Deutschland“ von Helmut Walser Smith

Von Hans Klumbies