Das 17. Jahrhundert war zugleich ein Zeitalter des Zweifels

Das 17. Jahrhundert war eine Blütezeit des allgemeinen Gelehrten. Die intellektuelle Geschichte dieser Epoche weist jedoch auch eine dunkle Seite auf. Denn das 17. Jahrhundert war zugleich ein Zeitalter des Zweifels. Peter Burke fügt hinzu: „Die Jahre um 1650 offenbaren eine Krise des Bewusstseins beziehungsweise eine Krise des europäischen Geistes.“ Diese sind Bestandteil, der von Historikern so genannten allgemeinen Krise des 17. Jahrhunderts. Der Begriff Krise ist so häufig und auf so viele verschiedene Arten von Veränderung angewendet worden, dass er an intellektuellem Wert eingebüßt hat. In der antiken griechischen Medizin bezeichnet eine „Krise“ jenen Moment im Krankheitsverlauf, der über Genesung oder Tod des Patienten entscheidet. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

Manche Denker sprachen sich für einen kulturellen Relativismus aus

Peter Burke interpretiert die Krise als den Moment einer Turbulenz, die zum Übergang von einer geistigen Struktur zu einer anderen führt. Es ist mit anderen Worten ein „Umschlagspunkt“ oder eine „kritische Schwelle“. Diese erreicht man oft nach einer langen Phase gradueller Veränderung. Die intellektuelle Krise des 17. Jahrhunderts hatte eine ganze Reihe von Aspekten. Der eine war der Übergang von einem organischen Bild der Welt – die Welt als etwas Lebendiges, als ein Tier – zur Auffassung des Universums als einer riesigen Maschine.

Ein zweiter Aspekt der Krise resultierte aus dem Aufkommen des Skeptizismus oder des „Pyrrhonismus“. So wie man ihn in Anlehnung an den antiken griechischen Philosophen Pyrrhon aus Elis zu jener Zeit oft nannte. Peter Burke erläutert: „Das Wissen sowohl über die Natur wie auch über die Vergangenheit zog man zunehmend in Zweifel.“ Manche Denker sprachen sich für einen kulturellen Relativismus aus. Zu ihnen zählte der Universalgelehrte Pierre Bayle.

Die Erfindung des Buchdrucks vergrößerte das verfügbare Wissen explosionsartig

Ein dritter Aspekt der Krise war die quantitative Zunahme an verfügbarem Wissen. Ein kollektiver Nutzen, doch zugleich ein Grund zur Sorge für einzelne Personen, da es plötzlich zu viel zu wissen gab. Die Erfindung des Buchdrucks um die Mitte des 15. Jahrhunderts steigerte die Buchproduktion. Diese ging zunächst relativ langsam, dann aber mit schwindelerregender Geschwindigkeit vonstatten. Einer neuen Berechnung zufolge waren zu Beginn des 17. Jahrhunderts rund 345.000 Titel gedruckt worden.

Die Sorge um diese Explosion des Wissens kam immer öfter zum Ausdruck. Ebenso wie Klagen über zu viele Bücher häuften sich Metaphern wie die „Flut“ von Büchern, in der die Leser zu ertrinken fürchteten, oder der „Wald“, in dem sie sich verloren fühlten. Peter Burke stellt fest: „Der Buchdruck, der ursprünglich als Lösung für das Problem des Informationsmangels gegolten hatte, war selbst zum Problem geworden.“ Um der Überflutung Herr zu werden, begannen einzelne Universalgelehrte sich zunehmend mit der Organisation von Wissen zu beschäftigen. Quelle: „Giganten der Gelehrsamkeit“ von Peter Burke

Von Hans Klumbies