Johannes Böhm untersucht die Sitten der Deutschen

Das tiefere Empfinden einer deutschen Nation begann mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit für das deutsche Volk. Das dreibändige Werk „Omnium gentium mores, leges et ritus“, das 1520 erschien, gilt als eine der ersten modernen Überblicksdarstellungen zu Völkern auf der ganzen Welt. Und es erhält die erste ernsthafte Untersuchung zu den Sitten und Gebräuchen des „vierten Standes der Deutschen“. Helmut Walser Smith weiß: „Verfasst hat dieses Opus ein Deutschordensbruder namens Johannes Böhm.“ Dabei knüpfte er an die Renaissance der klassischen Literatur des 15. Jahrhunderts an, insbesondere an Lorenzo Vallas Übersetzung von Herodot ins Lateinische. Johannes Böhm übernahm Herodots Verständnis der Völker und orientierte sich an der Neugier seines antiken Vorbilds für Dinge wie Kleidung, Ernährung und Wohnung. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

Die Preußen sind ein grausames Volk

Johannes Böhm verglich seinen Bericht mit einem Reiseführer, so als „würde ich dich getreulich bei der Hand nehmen“, und ordnete sein europäisches Material von Ost nach West an. Seine Behandlung Deutschlands platzierte er in der Mitte. Er begann seine Darstellung der Deutschen mit der Wiederholung des damals vertrauten Refrains, wonach Deutschland sich vor langer Zeit über die Grenzen hinaus ausgedehnt habe, die ihm die antiken Autoren zugewiesen hatten. Daraus zog er den Schluss, dass die Deutschen von fremden Elementen durchsetzt seien.

Einige seinen nicht besonders zivilisiert, wie die Preußen, „ein höchst grausames und götzendienerisches Volk“. Während andere zum Fortschritt beigetragen hätten, so dass, wie er schrieb, Deutschlands „schönste und großartigste Städte, Burgen und Dörfer nicht einmal von denen Frankreichs, Spaniens oder Italiens übertroffen wurden“. Helmut Walser Smith stellt fest: „Da Böhm glaubte, dass Nationen, wie so viele Kinder Gottes, ihren eigenen vorbestimmten Platz hätten, bereiteten ihm nationale oder regionale Unterschiede kein Kopfzerbrechen.“

Johannes Böhm schimpft über den deutschen Klerus

Stattdessen behielt er sich seine Kritik für Missstände innerhalb der vertikalen Ständeordnung vor. Er schimpfte über den deutschen Klerus, weil „die meisten von ihnen sehr untätig leben, wenig Zeit darauf verwenden, Wissen zu erwerben, all ihre Nachmittage hingegen mit Spielen und Trinken verbringen“. Er spottete aber zugleich auch über ehrlose Ritter, welche „die Landbevölkerung der Knechtschaft unterwarfen und ihnen unbeschreibliches Elend zufügten“.

Helmut Walser Smith ergänzt: „Umgekehrt pries er die tugendhafte Stadt, lobte den Gerechtigkeitssinn, die Frömmigkeit und die Nächstenliebe der Stadtbürger.“ Er kritisierte allenfalls so oberflächliche Dinge wie die Mode, wo man seiner Meinung nach die Italiener und Franzosen zu sehr nachahmte. Was die Bauernschaft betraf, war Johannes Böhm weniger eindeutig. Dennoch lieferte er Beschreibungen, die von einer Sympathie und Detailgenauigkeit zeugten, wie es sie zuvor noch bei keinem deutschen Autor gegeben hatte. Quelle: „Deutschland“ von Helmut Walser Smith

Von Hans Klumbies