Das Böse liegt im Menschen selbst

Ohne Geld gibt es keine Kunst, denn Bauwerke, Statuen und Fresken sind teuer. Volker Reinhardt weiß: „Wer Geld hat, braucht Kunst, um seinen wirtschaftlichen Erfolg, seinen sozialen Rang oder seine Macht zu zeigen. Wenn das Geld auf anrüchige Art und Weise verdient wurde, fällt der Kunst sogar die Aufgabe zu, Geld zu waschen.“ Das für Christen schmutzigste aller Geschäfte hat Giotto um 1304 an der Ostwand der Cappella degli Scrovegni in Padua gemalt. Diese nennt man meist Arenakapelle, weil man sie 1300 auf dem Grundstück des verfallenen römischen Amphitheaters errichtete. Die jüdischen Hohepriester wollen den Heiland ins Verderben stürzen und haben zu diesem Zweck einen heimtückischen Plan ausgeheckt. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

Geldgier macht käuflich und abhängig

Zwei von ihnen besprechen sich mit finsteren Minen vor dem Tempel. Einen dritten Spießgesellen haben sie ausgesandt, um ihr perfides Vorhaben auszuführen. Es zielt auf die Schwachstelle der neuen religiösen Bewegung, auf die Habgier des Jüngers Judas, ab. Dieses Laster spricht ihm aus dem Gesicht. Seine Augen bohren sich geradezu ins Antlitz des Priesters, der ihm letzte Instruktionen für den Verrat an seinem Herrn erteilt. Den Lohn dafür hat er bereits erhalten; seine Linke umklammert den Beutel mit den dreißig Silberlingen.

Volker Reinhardt stellt fest: „Geldgier macht käuflich und abhängig. So wird Judas zum Spielball seines Auftraggebers, dessen Hände das Wesen des Handels eindrücklich beschwören: Streng geheim, alles bleibt unter uns!“ Der Bestechende und der Bestochene verkörpern mit Minenspiel und Gestik das Wesen der Korruption, zeitlos und aktuell zugleich, aber auch sehr judenfeindlich. Der groteske Teufel, der Judas zum Geschäftsabschluss vorschiebt, ist daher eigentlich überflüssig.

Geldverleihen kommen in den siebten Kreis der Hölle

Das Böse erschließt sich auch ohne Hölle, denn es liegt im Menschen selbst. Nur die Christen, aber nicht die Juden können davon erlöst werden. Auf diese Weise stempelt man die Juden zu Sündenböcken ab, obwohl die Sünde eigentlich ein Christ begangen hat. Denn Enrico Scrovegni, der Auftraggeber dieses Bildes und der übrigen achtundfünfzig Freskenfelder, die seine Arenakapelle schmücken, kannte die Segnungen und Flüche des Geldes nur zu gut.

Nämlich die Anziehungskraft des Geldes, die es unwiderstehlich machte, die Macht, die es verlieh, aber auch die Anrüchigkeit, mit der es den Namen dessen verdunkelte, der es nach Meinung seiner Mitmenschen auf dubiose Weise gescheffelt hatte. Volker Reinhard erklärt: „Vom Geldscheffeln konnte die Familie Scrovegni ein Lied singen, das thematisierte sogar Dante in seiner „Göttlichen Komödie“. Dort trifft er Enricos Vater Reginaldo im siebten Kreis der Hölle an, wo die kriminellen Geldverleiher ihre ewige Strafe erleiden.“ Quelle: „Die Macht der Schönheit“ von Volker Gerhardt

Von Hans Klumbies