Es entwickelt sich eine neue Form des Rechnens

Die Französische Revolution wollte eine aristokratische Gesellschaft vernichten, die ein glanzvolles Leben geführt und Millionen für üppige Festbanketts ausgegeben hatte. Die Aristokraten kümmerten sich nicht im Mindesten darum, wenn die Bauern unter der Last maßloser Steuern verhungerten. Gerd Gigerenzer ergänzt: „Ein Nebeneffekt der Revolution war der Versuch, die Messsysteme rationaler zu gestalten: ein Dezimalsystem zur Messung von Gewicht, Länge und fast allem anderen einzuführen.“ Das neue System verlangte die Berechnung von logarithmischen und trigonometrischen Tabellen. Das war eine schwierige Aufgabe, die man bisher mathematischen Ausnahmetalenten überlassen hatte. Doch die Französische Revolution entwickelte auch eine neue Version des Rechnens. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Charles Babbage baute den ersten digitalen Computer

Angeregt durch Adam Smiths Werk „Der Wohlstand der Nationen“, entwarf der Ingenieur Gaspard de Prony eine soziale Hierarchie mit einer dreistufigen Arbeitsteilung. An der Spitze befand sich eine kleine Zahl berühmter Mathematiker, welche die Formeln entwickelten. In der Mitte standen sieben oder acht Personen, die in der Analysis bewandert waren. Ganz unten bewegten sich siebzig bis achtzig ungelernte Hilfskräfte, die einfach Millionen von Zahlen addierten und multiplizierten. Ein solches Projekt hatte die Welt noch nie gesehen.

Einige Jahrzehnte später war der englische Mathematiker Charles Babbage (1791 – 1871) verblüfft, welch komplizierte Berechnungen eine Gruppe von Arbeitern vornehmen konnte, die so wenig Kenntnisse besaßen. Gerd Gigerenzer fügt hinzu: „Davon ausgehend entwickelte Charles Babbage die Idee, die Arbeiter durch Maschinen zu ersetzen, und baute seine ersten digitalen Computer. Die arbeiteten zwar noch nicht richtig, doch im Laufe des folgenden Jahrhunderts wurden funktionierende Rechenmaschinen hergestellt.“

Die großen Denker waren hervorragende Rechner

Gerd Gigerenzer möchte hier zeigen, dass Computer und Intelligenzkonzepte eng miteinander verknüpft sind. Am Anfang stand eine neue soziale Organisation der Arbeit, und der Computer wurde nach ihrem Bild gebaut. Die ersten Computer waren Menschen. Ein Rechensystem mit ungelernten Arbeitern und Charles Babbages mechanische Maschinen gerieten mit tief verwurzelten Überzeugungen der Zeit in Konflikt. Im 17. und 18. Jahrhundert, während des Aufklärungszeitalters, galt die Fähigkeit zum Kopfrechnen als Zeichen eines glänzenden Verstandes.

Die Psychologie der Zeit gemäß war der innovative Geist ständig damit beschäftigt, Ideen zu zergliedern und neu anzuordnen. Gerd Gigerenzer erklärt: „Unter Denken verstand man kombinatorische Kalkulation, und die großen Denker waren hervorragende Rechner. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die Geschichte des Mathematikers Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855). Gauß wuchs in einer armen Braunschweiger Familie auf und war neun Jahre alt, als sein Volksschullehrer der Klasse eine Addition aufgab. Anekdoten über außergewöhnliche Begabung im Kopfrechnen gehörten zu den Lobesreden auf große Mathematiker. Quelle: „Klick“ von Gerd Gigerenzer

Von Hans Klumbies