Variablen beschreiben die Welt

In der Welt herrscht Veränderung. Es gibt eine zeitliche Struktur von Beziehungen zwischen Ereignissen, die alles andere als illusorisch sind. Sie ist kein global geordnetes Geschehen. Sondern sie ist ein lokales und komplexes Ereignis, das es nicht zulässt, in Begriffen einer einzigen globalen Ordnung beschrieben zu werden. Die Dinge des Lebens an sich sind zerbrechlich, kurz und voller Illusionen. Wie funktioniert eine grundlegende Beschreibung der Welt? Carlo Rovelli antwortet: „Auf die einfachste Art. So wie wir die Welt dachten, bis Isaac Newton und alle davon überzeugte, dass eine Zeitvariable unverzichtbar sei.“ Für Carlo Rovelli jedoch ist die Zeitvariable für eine Beschreibung der Welt nicht notwendig. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

Die Variable „Zeit“ ist nicht notwendig

Nützlich sind dagegen Variablen, welche die Welt beschreiben: Größen, die man beobachtet, wahrnimmt und eventuell messen kann. In Mengen und Eigenschaften, die man in ständiger Veränderung sieht, kann man die Welt beschreiben. Diese Veränderungen unterliegen Regelmäßigkeiten: Ein Stein fällt schneller als eine leichte Feder zu Boden. Mond und Sonne laufen am Himmel einander nach und ziehen einmal im Monat aneinander vorbei. Von diesen Größen sieht man, die sich regelmäßig mit Blick auf andere verändern: die Anzahl der Tage, die Phasen des Mondes oder die Höhe der Sonne über dem Horizont.

Diese lassen sich bequem als Bezugspunkte verwenden. Wenn man genügend Variablen findet, die untereinander ausreichend gut synchronisiert sind, kann man sie dazu nutzen, über das „Wann“ zu reden. Carlo Rovelli fügt hinzu: „Bei all dem müssen wir keine bevorzugte Variable auswählen und die „Zeit“ nennen. Wenn wir Wissenschaft treiben wollen, brauchen wir eine Theorie, die uns sagt, wie sich die Variablen wechselseitig zueinander verändern.“

Die Quantengravitation braucht keine Zeitvariable

So muss die grundlegende Theorie der Welt beschaffen sein. Sie braucht keine Zeitvariable. Sie muss nur angeben, wie sich die Dinge, die man in der Welt variieren sieht, jeweils zueinander verändern. Welches also die Beziehungen sind, die zwischen diesen Variablen bestehen können. Tatsächlich sind die Grundgleichungen der Quantengravitation gerade so aufgebaut. Die erste Gleichung für die Quantengravitation ohne jede jede Zeitvariable wurde 1967 von den beiden amerikanischen Physikern Bryce DeWitt (1923 – 2004) und John Wheeler (1911 – 2008) aufgestellt, weshalb sie denn auch Wheeler-DeWitt-Gleichung heißt.

Was eine Gleichung ohne Zeitvariable zu bedeuten hat, verstand zunächst niemand. Carlo Rovelli weiß: „Die Angelegenheit wurde über lange Zeiträume diskutiert, Tagungen und Debatten fanden statt, Ströme von Tinte flossen.“ Heute liegen die Dinge deutlich klarer. Das Fehlen der Zeit in der Grundgleichung der Quantengravitation hat nichts Mysteriöses. Es ist lediglich die Konsequenz der Tatsache, dass auf grundlegender Ebene keine spezielle Variable existiert. Quelle: „Die Ordnung der Zeit“ von Carlo Rovelli

Von Hans Klumbies