Die menschliche Freiheit ist absolut

Das „Ich“ ist nicht, was es ist. Ger Groot erklärt: „Es steht immer in Distanz zu sich und in Distanz zu der Welt, in der es sich befindet.“ Auf diese Feststellung gründet Jean-Paul Sartre die menschliche Freiheit. Diese ist absolut, nicht deshalb, weil ein Mensch imstande wäre, eine Welt nach seinem eigenen Willen zu schaffen, sondern weil er eine souveräne Deutungshoheit darüber hat, welche Bedeutung die Welt, in der er sich befindet, für ihn hat. Jeder Mensch mag mit allen erdenklichen Eigenschaften zur Welt kommen. Nämlich als Mann oder Frau, mit mehr oder weniger Intelligenz, als Niederländer oder Rumäne. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

Der Mensch ist ein Absolutum

Wie ein Mensch mit diesen Eigenschaften umgeht und wie er sie in das Lebensprojekt, das er für sich selbst entwirft, einpasst, das ist ganz und gar seine Sache. Man erschafft die Welt nicht, aber man gestaltet sie um, indem man ihr einen bestimmten Sinn gibt, der mit der eigenen Lebensentscheidung konform geht. Ger Groot stellt fest: „In dieser Hinsicht ist der Mensch bei Jean-Paul Sartre zwar nicht zu einem Gott geworden, aber er nimmt doch eine analoge Stellung ein.“

Der Mensch bestimmt, was die Welt für ihn ist. Und das läuft in der phänomenologischen Perspektive, in der das, was ist, immer für einen selbst ist, eigentlich auf dasselbe hinaus. Jean-Paul Sartre verkündete kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: „Der Mensch ist ein Absolutum, wie es einst Gott war.“ Aber dem stehen laut Ger Groot noch einige Hindernisse im Weg. Bisher ging es immer nur darum, wie der Mensch sich selbst gegenübersteht und wie er der Welt gegenübersteht.

Zum Bewusstsein des anderen hat man keinen Zugang

Es kostet den Menschen schon einiges an Anstrengung, dabei seine Souveränität zu wahren. Ger Groot stellt fest: „Wirklich problematisch wird es erst, wenn in dieser Welt auch noch ein anderer Mensch auftaucht. Wenn sich zwei Personen gegenüberstehen, sehen sie einander zunächst als Objekt, so Jean-Paul Sartre. Und das hat weitreichende Konsequenzen.“ Man weiß, dass einen der Blick des anderen objektiviert, einen auf eine Identität festlegt, über die man keine Verfügungsmacht hat. Denn man hat zum Bewusstsein des anderen keinen Zugang.

Ger Groot erläutert: „In den Augen des anderen bin ich kein freier Mensch, sondern ein Gegenstand, der einfach mit dem, was er ist, zusammenfällt.“ Das scheint zunächst nicht so katastrophal zu sein, doch in Wirklichkeit, so Jean-Paul Sartre, spielt sich hier ein schmerzhaftes Drama ab. In den Augen des anderen ist man mit sich selbst identisch, man kann dem nicht entkommen. Demnach ist man dann nicht mehr frei. Schließlich kann man sich dem Urteil des anderen über das eigene Selbst nicht entziehen. Quelle: „Und überall Philosophie“ von Ger Groot

Von Hans Klumbies