Dem Menschen ist seine Autonomie sehr wichtig

Die Freiheit wird auch heute noch immer hochgeschätzt. Immanuel Kant schrieb einst, dass man von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlich Gebrauch machen sollte. Aber um welche Freiheit geht es? Der amerikanische Informatiker und Künstler Jaron Lanier vergleicht moderne Menschen mit Wölfen. Wie kann das sein? Rebekka Reinhard antwortet: „Eigentlich ist der moderne, aus dem soliden Umfeld der Tradition gerissene Mensch doch ein unvergleichliches Individuum, eine Singularität. Dieser Mensch möchte kein skinnerisches Versuchstier sein. Autonomie ist ihm sehr wichtig.“ Die Computer-Logik dagegen übersetzt Vieldeutigkeit in Eindeutigkeit und kennt nur zwei Zustände: Entweder – Oder. So blitzschnell, dass sie wie aus Versehen ein Gleichheitszeichen zwischen „subjektiv“ und „objektiv“ setzt. Die Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Die Computer-Logik schafft das Chaos der Welt nicht ab

Die verblödete Vernunft ist wie ein Algorithmus darauf programmiert, nur einen einzigen Ausschnitt der Wirklichkeit zu kennen. Nämlich denjenigen, der jetzt, in diesem Moment, für ihre Zwecke relevant ist. Objektive Wahrheit als Ideal der Aufklärung und Ergebnis geduldigen, Tatsachen abwägenden Selbstdenkens ist ein Wert, auf den Computer-Logik nicht programmiert ist. Es ist schwer, selbstbestimmt zu handeln, wenn man permanent von allen Seiten Rückmeldungen über sein Tun erhält.

Es ist auch schwer, objektiv zu sein, wenn ständig alle dazwischen quasseln. Die rudelhafte Beeinflussung von Menschen durch Menschen vernebelt und verwirrt das Urteilsvermögen. Daher das Beharren auf Eindeutigkeit. Daher der Reflex, vieldeutig daherkommende Überzeugungen und Informationen, Menschen und Tatsachen, problematisch zu finden. Die Illusion, durch Computer-Logik eine Lösung für ein Problem finden zu können, recht zu haben und zu den Guten zu gehören, fühlt sich toll an. Aber sie schafft das Chaos der Welt nicht ab.

Die Eindeutigkeit der Welt ist ein Illusion

Rebekka Reinhard kritisiert: „Die menschengemachte Voreinstellung der Eindeutigkeit macht mit der Vieldeutigkeit kurzen Prozess.“ Sie ist aber kein Ersatz für Vielfalt, so wie eine Dating-App kein Ersatz für die Begegnung zweier Menschen ist. Die Ideale von Vernunft, Wissenschaft und Objektivität, die von der Aufklärung bis in die Gegenwart ausstrahlen, haben auch weiterhin ihre Berechtigung. In einer Zeit, in der Menschen Algorithmen nachäffen, mehr denn je.

Computer-Logik ist eindeutig, aber die Eindeutigkeit der Welt ist eine Illusion. Man kann die Welt nicht auf seine Absichten hin formatieren. Weder besteht sie nur aus Problemen und Lösungen – noch nur aus Zufällen, Widersprüchlichkeiten, Unwägbarkeiten. In dieser Welt gibt es vieles. Alles kann der Fall sein. Weder der Menschen von die Technologie ist für Rebekka Reinhard der Stein der Weisen. Der Lauf der Welt lässt sich nicht selektieren, kontrollieren, automatisieren. Er macht, was er will. Quelle: „Wach denken“ von Rebekka Reinhard

Von Hans Klumbies