Menschen sehnen sich nach einer Ordnung der Welt

Viele Menschen haben das Bedürfnis, eine große Ordnung der Welt anzunehmen, die als Erklärung für alles dienen kann. Dadurch machen sie die häufig verwirrende Vielfalt, die auf sie einstürzt, erträglicher. Freilich, die Art und Weise und der Inhalt dieser Welterklärungen unterscheiden sich, je nach geschichtlicher Situation, Kultur oder Individuum. Axel Braig stellt fest: „In religiösen Zusammenhängen spielen die Götter oder zumindest ein Gott bei der Erklärung des gesamten Kosmos eine wesentliche Rolle.“ Vor gut zweieinhalbtausend Jahren vertraten schon einige vorsokratische Philosophen jedoch eine andere Meinung. Sie vertraten die These, dass der menschliche Intellekt auch ohne göttliche Hilfe zu einer umfassenden Welterklärung in der Lage sei. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

Platon legte nur wenig Wert auf empirische Beweise

Demokrit entwickelte die Theorie, dass die Welt aus kleinen Teilchen bestehe, die man wegen ihrer Unteilbarkeit als Atome bezeichnete. Doch obwohl die Vorsokratiker sich als Naturwissenschaftler und Mathematiker verstanden, vertraten sie die Atomtheorie, ohne dafür empirische Belege vorweisen zu können. Und auch die Mathematik diente ihnen noch nicht als Werkzeug, um die Beweiskraft der vorgetragenen Hypothese zu stärken. Vielmehr sahen sie die mathematische Logik und Klarheit eher als Symbol für die Harmonie des Universums.

Auch Platon legte nur wenig Wert auf empirische Beweise. Daher bewertete er das direkt Sichtbare im Höhlengleichnis eher als eine Täuschung. Sein nach dem Aufstieg aus der Höhle unmittelbar und intuitiv „fassbares“ Licht der Wahrheit hat keinen physikalischen Charakter. Sondern es ist, wie auch das erkennende Auge, von geistiger Natur. Die Idee der Einheit des Wahren, Guten und Schönen, die im Zentrum der platonischen Philosophie steht, ist nicht empirisch erfahrbar.

Der Siegeszug der Naturwissenschaften begann

Axel Braig fügt hinzu: „Und in diese Tradition der Gesamtschau der Wahrheit durch die Kraft des geistigen Auges stellt sich auch die christliche Offenbarung.“ Damit wurde eine Weltsicht geprägt, die das gesamte Universum als „Schöpfung“, das heißt, als eine harmonische Ordnung betrachtet. Und vermutlich hat der Glaube, über eine ganzheitliche Erklärung der Welt zu verfügen, vielen Menschen über Jahrtausende das Gefühl einer existenziellen Geborgenheit vermittelt.

Allerdings wurde dieser Glaube durch die bahnbrechenden Erkenntnisse von Kopernikus und der ihm nachfolgenden Wissenschaftlern erschüttert. Mit ihrer revolutionären Methode der genauen Naturbeobachtung entwickeln sie eine grundlegend neue Sicht des Universums. Später ergänzte man die Beobachtungen der Natur durch systematische Experimente. Sie schufen damit die Grundlagen für den Siegeszug der Naturwissenschaften in den kommenden Jahrhunderten. Dieser hatte jedoch seinen Preis. Der Mensch wurde zum Bewohner eines kleinen Planeten in einem Sonnensystem degradiert, das in ähnlicher Form millionenfach im Weltall vorkommt. Quelle: „Über die Sinne des Lebens und ob es sie gibt“ von Alex Braig

Von Hans Klumbies