Der Übersetzer muss die Originalsprache verstehen

Wer eine Fremdsprache verstehen möchte und sie nicht selbst beherrscht, braucht einen Übersetzer. Gerd Gigerenzer fügt hinzu: „Wenn ein Text aus einer Sprache in eine andere übertragen werden soll, muss ein Übersetzer die Originalsprache verstehen, aber einen besseren Zugang zur Zielsprache besitzen, um Redewendungen und Ironie ausdrücken zu können.“ Daher übersetzen professionelle Übersetzer in der Regel in ihre Muttersprache. Wie konstruiert man aber am besten eine Übersetzungsmaschine? Folgt man der psychologischen Künstlichen Intelligenz (KI), würde man professionelle Übersetzer und Linguisten in einem Raum versammeln. Dann würde man versuchen, ihre Intuitionen und Urteil in Regeln zu fassen, die sich in Software programmieren ließen. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Wörter haben viele Bedeutungen

Aber das klappt nicht. Denn die Sprache ist kein System aus wohldefinierten Regeln. Wörter haben nicht eine, sondern viele Bedeutungen. Und die richtige lässt sich nicht einfach in einem Wörterbuch nachschlagen. Sondern sie muss aus dem Kontext und dem, was man über den Sprecher weiß, geschlossen werden. Gerd Gigerenzer ergänzt: „Entsprechend sind auch grammatische Regeln nicht absolut, sondern vielfach gebrochen.“ Die Alternative besteht darin, dass man die menschliche Übersetzungskunst vergisst und für Übersetzungsprogramme stattdessen Softwareingenieure beauftragt.

Diese analysieren mit der brutalen Rechenleistung von Computern die statistischen Assoziationen zwischen Wörtern und Sätzen in Milliarden von bereits übersetzten Textseiten. Gerd Gigerenzer weiß: „Regeln und Statistik waren die beiden zentralen Ideen für die Entwicklung von Übersetzungsmaschinen. Bis in die 1980er Jahre wurden keine großen Fortschritte in die Entwicklung der Maschinenübersetzung erzielt.“ Sehr beliebt waren die Geschichten, die sich über diesen Stand der Dinge lustig machten.

Übersetzungsprogramme besitzen keinen gesunden Menschenverstand

Die Schlagzeile lautete: „Papst erschossen. Welt erschüttert.“ Das Computerprogramm übersetzte: „Erdbeben in Italien. Ein Toter.“ Natürlich hat sich der Algorithmus etwas dabei „gedacht“. Genauer, er hat Assoziationen hergestellt. Der Algorithmus hatte Probleme mit einem mehrdeutigen Wort. Der große Vorteil moderner computergestützten Übersetzungssysteme ist die Quantität und Geschwindigkeit. Gute System können Texte aus über einhundert Sprachen in wenigen Augenblicken übersetzen. Eine halsbrecherische Geschwindigkeit und eindrucksvolle Vielsprachigkeit, die menschliche Fähigkeiten weit übertrifft.

Gerd Gigerenzer stellt jedoch fest: „Dagegen sind Verständnis und Qualität nicht ihre Stärke. Auch gesunder Menschenverstand nicht.“ Denn ein neurales Netzwerk weiß noch nicht einmal, dass Wörter für Dinge stehen. Es bezieht Wörter auf Wörter, nicht auf Ideen. Diese Systeme versuchen ganze Wortfolgen oder Sätze zu erkennen, die zusammen übersetzt werden müssen, statt wie früher Wort für Wort mithilfe eines Wörterbuchs. Doch die Qualität des Resultats hängt auch von der Qualität der Quellen ab. Quelle: „Klick“ von Gerd Gigerenzer

Von Hans Klumbies