Herbert Simon war einer der Begründer der KI

Warum kann künstliche Intelligenz (KI) beim Schach gewinnen, aber nicht den passendsten Partner finden? Schließlich scheint das Ziel doch ähnlich zu sein. Man weist jedem Zug oder Kandidaten einen Wert zu und sucht dann den besten aus. Gerd Gigerenzer ergänzt: „Schachalgorithmen wie Deep Blue weisen den Milliarden mögliche Stellungen, die das System vorhersehen kann, Werte zu. Genauso wie Liebesalgorithmen Millionen von potenziellen Partnern Punkte zuordnen.“ Beim Schach klappt das wunderbar. Warum nicht auch in allen anderen Bereichen? Herbert Simon war einer der Begründer der Künstlichen Intelligenz. Und er war bislang der einzige Wissenschaftler, der sowohl den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften und den Turing Award – informell auch Nobelpreis für Informatik – erhalten hat. Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Alle zwei Jahre verdoppelt sich die Rechenleistung

Herbert Simon glaubte fest, dass ein Computer, sobald er einmal den besten Schachspieler der Welt schlagen könne, sich die Essenz menschlicher Intelligenz angeeignet habe. Im Jahr 1965 sagte er vorher, dass Computer binnen zwanzig Jahren in der Lage seien, jede Arbeit zu leisten, deren der Mensch fähig sei. Die Überzeugung, dass Schach den Gipfel menschlicher Intelligenz darstelle, erschien so selbstverständlich. Deshalb wurde sie von frühen Enthusiasten wie Kritikern der Künstlichen Intelligenz geteilt.

Als Deep Blue 1997 schließlich den Weltmeister Garri Kasparow schlug, schien Künstliche Intelligenz kurz vor dem Erwerb menschenähnlicher Intelligenz zu stehen. Gerd Gigerenzer fügt hinzu: „Alles, was Künstliche Intelligenz noch braucht, um uns in jeder Hinsicht zu übertreffen, sind demnach mehr Rechenleistung und mehr Daten. Die Rechenkapazität ist jedoch keine knappe Ressource mehr.“ Nach dem Moore`schen Gesetz verdoppelt sich die Rechenleistung – die Zahl der Transistoren in integrierten Schaltkreisen – ungefähr alle zwei Jahre.

Beim Online-Dating gibt es viele Ungewissheiten

Dieses exponentielle Wachstum war in der Tat entscheidend für die Siege von Künstlicher Intelligenz im Schach und Go. In Herbert Simons Nachfolge vertreten heute Bestsellerautoren die Auffassung, die Menschheit stünde kurz davor, eine kolossale Superintelligenz zu konstruieren. Diese wird die Menschen, in allem, was sie wissen und tun, übertreffen. Gerd Gigerenzer ist ein großer Bewunderer von Herbert Simons Werk, aber hier hat er eine grundlegende Unterscheidung übersehen.

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Spielen wie Schach und Problemen wie der Suche nach einem Liebespartner. Im Schach kann man jede Stellung durch ein Profil darstellen, das den Ort jeder Figur – vom Bauern bis zu König – angibt. Ein Schachcomputer muss nicht auf die wahre Stellung schließen, weil das Profil die Stellung ist. Es gibt keine Ungewissheit. In vielen anderen Situationen, so auch beim Online-Dating, hat man es mit einer Fülle an Ungewissheit zu tun. Quelle: „Klick“ von Gerd Gigerenzer

Von Hans Klumbies