Zahlen versprechen die totale Eindeutigkeit

Computer-Logik hält Zahlen für das Maß aller Dinge. Denn Zahlen versprechen die totale Eindeutigkeit – und die totale Kontrolle. Dagegen ist der Standpunkt „Ich denke, also bin ich“ keiner, mit dem sich rechnen lässt. Die glasklare Eindeutigkeit liegt jenseits von Freiheit und Würde. Rebekka Reinhard schreibt: „Wenn man darauf konditioniert ist, nicht mehr zu wollen und nur noch zu müssen, funktioniert man perfekt. Man diszipliniert und konditioniert sich selbst.“ Der außengeleitete Menschentypus, den er amerikanische Soziologe David Riesman (1909 – 2002) Anfang der 1950er Jahre beschrieb, dominiert auch heute. Der Unterschied ist nur: Die „Außengeleiteten“ sehen sich nicht mehr nur als aktive Subjekte, die auf Wünsche und Erwartungen anderer reagieren, wie David Riesman meinte. Die Philosophin Rebekka Reinhard war bis zur Einstellung der Zeitschrift stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Die Null-und-Eins-Logik verunglimpft die Freiheit als Chaos

Sondern sie verstehen sich genauso als passive Objekte. Als Umsatzgeneratoren, Quotenbringer, Glücksspielautomaten, Katastrophenverhüter, die auf Gewinn programmiert sind. Man hat verinnerlicht, kein Inneres mehr haben zu sollen. Wozu Freiheit? Wenn Erfolg ein Muss ist, worin besteht dann sein Wert? Kaum machen sich diese Fragen in der hintersten Kammer des menschlichen Gehirns bemerkbar, hat Computer-Logik sie schon gelöscht. Freiheit ist Chaos. Freiheit macht Angst. Ungewissheit und Vieldeutigkeit überall. Wer frei ist, ist orientierungslos.

Die Null-und-Eins-Logik reduziert Freiheit auf eine bedeutungslose, nicht signifikante Größe. Für den britischen Philosophen Bernard Williams (1929 – 2003) hieß Freiheit, trotz aller Hindernisse etwas tun zu können, was man tun will. Laut Bernard Williams besteht eine ihrer Hauptformen darin, „beim Streben nach einem wertgeschätzten Ziel nicht dem Willen eines anderen unterworfen zu sein“. Auch die scheinbar zweckfrei agierenden Akademiker sind längst Teil des erfolgsheroischen Systems. Erfolg ist alles, alles andere ist nichts.

Die Computer-Logik lässt das Scheitern nicht zu

Rebekka Reinhard stellt fest: „Je mehr Sie sich von außen lenken und zum Objekt erklären lassen, desto schaler schmeckt die Freiheit. Wenn Sie keine Freiheit mehr wollen, weil Sie ihren Wert nicht mehr verstehen, brauchen Sie auch keine Seele, keine Innerlichkeit, keine Würde mehr.“ Dann sind alle Rückzugsorte erobert: Die Computer-Logik kann sich ungehindert in den Restbestand des kritischen Verstandes einhacken und in den Schleudergang des Gehirnwaschprogramms schalten.

Das geschieht solange, bis der Betroffene so weit ist, den Erfolgsheroismus als alternativlos zu kaufen. Computer-Logik lässt das Scheitern so wenig zu wie die Freiheit. Denn Freiheit ist gefährlich. Freiheit könnte ja Mut zum Scheitern machen. Ein freier Mensch könnte etwas wollen, das nicht vorgegeben ist und nicht von der Feedbackschleife eines „Rudels“ bestätigt wird. Wer heute erlaubt, dass sein Hirn von Nullen und Einsen besetzt wird, dass zwei mal zwei fünf ist. Quelle: „Wach denken“ von Rebekka Reinhard

Von Hans Klumbies