Effiziente Lösungen hängen von Interessen ab

Um es zu verstehen, muss man sich den Begriff eines Problems zunächst einmal genauer anschauen. Markus Gabriel definiert: „Ein Problem ist eine Aufgabe, die ein Akteur lösen will, um ein bestimmtes Ziel, also die Lösung, zu erreichen.“ Für jedes Problem gibt es verschiedene Lösungsstrategien, die man nach ihrer Effizienz ordnen kann. Doch schon da beginnt das Problem mit den Problemen. Denn was als effizient gilt, hängt von den Interessen ab. Der schnellste Weg, eine Lösung zu erreichen, ist nicht unbedingt intelligent, sondern nur, wenn Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Es gibt also kein absolutes Effizienzkriterium. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Das menschliche Leben hat keinen absoluten Sinn

Dies gilt nicht nur für Spiele, die mathematisch genau erfassbaren Regeln unterliegen, sondern in jeder Situation, in der Probleme auftauchen. Das Leben eines Menschen besteht zwar wesentlich darin, Probleme zu lösen und die eigene Problemlösungskompetenz zu optimieren. Doch diese Optimierung untersteht keinem absoluten Effizienzdenken, da es dieses schlichtweg nicht gibt. Markus Gabriel illustriert diese Tatsache an einer klassischen existenzialistischen Überlegung.

Der Existenzialismus nimmt an, dass das menschliche Leben keinen absoluten, von außen bestimmten Sinn hat. Sondern Menschen geben ihm nur in den Kontexten, in denen sie sich vorfinden, einen Sinn. Den Lösungsraum einer künstlichen Intelligenz legt man relativ zu Effizienzkriterien fest, weshalb sie intelligent erscheint. Doch hat das System keine eigenen Interessen und kann diese daher auch nicht selbst gegeneinander abwägen, wenn die Effizienzkriterien nicht klar definiert sind. Computerprogramme geben schneller als Menschen Lösungen an, deren Effizienzkriterien unter genau bestimmten Bedingungen feststehen.

Nur die Evolution hat Lebendiges hervorgebracht

Das heißt nicht, dass Computerprogramme denken. Dennoch können Computer im Leben eines Menschen eine wichtige und teils gefährliche Rolle spielen. An dieser Stelle könnte man einwenden, dass es längst Systeme von künstlicher Intelligenz gibt, die lernen können. Hierbei sei unter Lernen die systematische Einführung neuer Probleme verstanden, um alte Probleme zu lösen. Unsere heutigen Computerprogramme sind dem Menschen viel ähnlicher und deswegen auch überlegener als ein guter alter Taschenrechner.

Markus Gabriel stellt fest: „Der technische Fortschritt ist nicht zu bestreiten. Doch ändert dies nichts daran, dass unsere Intelligenz nicht einfach nur ein allgemeines Problemlösungssystem ist, sondern das Formulieren von Problemen.“ Diese Probleme stellen sich den Menschen nicht in einem abstrakten Problemlösungsraum, sondern im konkreten Rahmen des menschlichen Überlebens. Für Computerprogramme gibt es keine Fragen des Überlebens, weil sie nicht lebendig sind. Lebendig ist bisher nur solches, was durch die Evolution entstanden ist. Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies