Mitja Back schlägt in seinem neuen Buch „Ich! Die Kraft des Narzissmus“ eine Brücke zwischen dem anhaltend hohen Interesse am Narzissmus und der aktuellen Forschung. Er zeigt dabei, dass der Narzissmus neben herausfordernden Aspekten für die Mitmenschen auch positive Seiten hat. Narzissten können zum Beispiel andere Menschen begeistern und stoßen in ihrem Drang nach Anerkennung oft Innovationen und Fortschritt an. Offensichtlich tun sie Dinge, die vielen Menschen auf den ersten Blick gefallen. Mitja Back ist seit Jahren fasziniert von Narzissten. Von Menschen, die nicht „ich?“ fragen, sondern „Ich!“ in die Welt rufen. Narzissten sind kraftvolle Menschen voller Widersprüche. Sie interessieren sich scheinbar nur für sich selbst und sind doch auf andere angewiesen. Denn: Ohne Publikum und Applaus keine Bewunderung. Mitja Back ist seit 2012 Professor für Psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie an der Universität Münster.
Buchrezensionen
Die Gelassenheit führt zu einem glücklichen Leben
Gerhard Gleißner behauptet in seinem neuen Buch „Gesund leben mit dem Stoizismus“, dass jeder, der den Stoizismus praktiziert, mit großer Wahrscheinlichkeit seelisch gesund bleibt. Ebenso ist die Aussicht geringer, körperlich zu erkranken und die Chance höher als Kranker leichter wieder zu gesunden. Zugleich zeigt und beweist der Autor, dass der Stoizismus tatsächlich eine der effektivsten Methoden darstellt, die eigene Gesundheit günstig zu beeinflussen. Gerhard Gleißner schreibt: „Die Gelassenheit oder stoische Seelenruhe (altgriechisch „ataraxia“) ist das eigentliche Ziel allen stoischen Bemühens, sie führt uns zum glücklichen Leben.“ Die „ataraxia“ ist der Lohn dafür, wenn man es schafft, das Schicksal zu akzeptieren. Wem es gelingt, alles, was kommt, gelassen zu ertragen, ist ein guter Stoiker. Dr. med. Gerhard Gleißner ist seit 2014 als Amtsarzt und Gutachter im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig.
Am Ende des Kampfes gegen das Ressentiment steht die Selbsterweiterung
Cynthia Fleury untersucht in ihrem Buch „Hier liegt Bitterkeit begraben“ das Ressentiment, die Unzufriedenheit und Bitterkeit, die Demokratien zu zerreißen drohen. Die Autorin schreibt: „Man muss das Bittere begraben. Und darauf wächst etwas anderes. Kein Boden ist jemals für immer verflucht: eine bittere Fruchtbarkeit, die das künftige Verständnis begründet.“ Cynthia Fleury ist der Auffassung, dass es in der Fähigkeit, zu ihrem eigenen Ressentiment auf Distanz zu gehen oder nicht, zwischen den Menschen einen radikalen Unterschied gibt. Die Bekämpfung des Ressentiments lehrt die Notwendigkeit der Toleranz gegenüber Ungewissheit und Ungerechtigkeit. Am Ende dieser Auseinandersetzung steht das Prinzip der Selbsterweiterung. Die Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury ist unter anderem Professorin für Geisteswissenschaften und Gesundheit am Conservatoire National des Arts et Métiers in Paris.
Der Hass ist das Gegenteil der Liebe
Band 25 des Philosophicums Lech handelt von einem elementaren Gefühl: dem Hass. Negative Gefühle gibt es viele, aber nur dem Hass kann man scheinbar nichts Positives abgewinnen. Er ist der einzige Affekt, der generell als unzulässig erachtet wird. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Es geht nur noch darum, wie wir ihn eindämmen, neutralisieren, entschärfen, zurückdrängen und bekämpfen können.“ Anders als Wut und Zorn ist Hass in hohem Maße auf Verbalisierung und Aktionismus angewiesen. Dem Hass könnte man allenfalls entgehen, wenn man seine moralischen Überzeugungen immer wieder in Frage stellt. Konrad Paul Liessmann betont: „Den Hass zu neutralisieren wird nur gelingen, wenn uns klar wird, wie tief wir in dieses Gefühl gerade dann verstrickt sind, wenn wir uns frei davon wähnen.“
Vaclav Smil weiß wie die Welt wirklich funktioniert
Vaclav Smil vertritt in seinem neuen Buch „Wie die Welt wirklich funktioniert“, dass bei den meisten Menschen ein hochgradiges Unverständnis für die grundlegende Funktionsweise der modernen Welt besteht. Zwei wichtige Ursachen für dieses auf Ignoranz zustrebende Verständnisdefizit heißen Verstädterung und Mechanisierung. Die meisten heutigen Stadtbewohner haben jeden persönlichen Bezug nicht nur zur Erzeugung von Lebensmitteln verloren, sondern auch zu der Art und Weise, wie man Maschinen und Geräte baut. Es gibt einen zweiten Hauptgrund für das schwache und weiter nachlassende Verständnis, mit denen man Energie und Baumaterialien erzeugt. Sie haben das Image bekommen, unmodern, wenn nicht sogar obsolet geworden zu sein. Jedenfalls ausgesprochen uncool im Vergleich zur Welt der Medien, Informationen, Daten und Bildern. Vaclav Smil ist Professor Emeritus für Umweltwissenschaften an der University of Manitoba. Er hat unter anderem das Grundlagenwerk „Energy and Civilization“ geschrieben.
Eva von Redecker stellt einen neuen Freiheitsbegriff vor
Eva von Redecker schlägt in ihrem neuen Buch „Bleibefreiheit“ einen radikal neuen Freiheitsbegriff vor, der mit der traditionell räumlichen Perspektive der Freiheit bricht. Stattdessen spürt sie der Freiheit in ihren zeitlichen Zusammenhängen nach. Ihr Essay erkundet die Freiheit, die seine Lebenszeit einem Menschen schenkt, die sich in seiner einzigartigen Fähigkeit zum Neuanfang erfüllt. Diese Freiheit kommt in der Verwurzelung des Menschen in Natur und Gemeinschaft zur Ruhe. Eva von Redecker schreibt: „Bleibefreiheit lässt sich nur gemeinsam herstellen. Und sie wächst, wenn wir sie teilen.“ So gesehen bildet das Bleiben geradezu den Nullpunkt der Freiheit. In vielen Fällen ist das Bleiben auch eine Forderung. Das macht aus ihm allerdings noch keine Freiheit. Eva von Redecker ist Philosophin und freie Autorin. Sie beschäftigt sich mit der Kritischen Theorie, Feminismus und Kapitalismuskritik.
Crazy Gefühle sind total weit verbreitet
In ihrem Buch „Psychologie to go! Wie verrückt sind wir eigentlich?“ erklärt die Psychotherapeutin mit eigener Praxis und Podcasterin Franca Cerutti, was im Körper eines Menschen bei psychischen Erkrankungen, die oft unseren Alltag erschweren, konkret passiert. Unter „verrückt“ versteht die Autorin eine leichte Verrückung aus der Norm heraus. In ihrem Buch möchte Franca Cerutti zeigen, dass einiges, was man selbst an seinem Denken, seinen Gefühlen oder seinem Verhalten ganz schön crazy findet, eigentlich total verbreitet ist. Alle Fragen, die der Psychotherapeutin je zu seelischen Schieflagen gestellt wurden, beantwortet sie in „Psychologie to go!“. Mehr als jeder vierte Erwachsene erfüllt die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Etwa 18 Millionen Deutsche leiden unter Symptomen, die so gravierend sind, dass eine ausgeglichene, stabile Alltagstauglichkeit nicht mehr gegeben ist.
Das eilige Meinen richtet tagtäglich Verseuchungen an
Aus Wolfgang Hildesheimers „Mitteilungen an Max“ stammt das Zitat, das Reinhard K. Sprenger zum Titel seiner Aufsatzsammlung „Gehirnwäsche trage ich nicht“ wählte. Es verweist auf die Verseuchungen, welche die Pathosformeln und das eilige Meinen tagtäglich anrichten. Versammelt sind in seinem neuen Buch vorrangig Texte, die er in der NZZ – „Neue Zürcher Zeitung“ publizierte. Seit Angedenken übt sich der Mensch, den Zufall zu bändigen, die Fülle der Möglichkeiten zu begrenzen, seine Welt zu ordnen und festzulegen. Und je mehr ihm das gelingt, desto mehr leidet er unter dem Restrisiko. Desto mehr artikuliert sich das Bedürfnis, den Zufall möglichst vollständig aus dem Leben zu verbannen. Man will kontrollieren, alles, irgendwie, auch den eigenen Körper. Reinhard K. Sprenger, promovierter Philosoph, ist einer der profiliertesten Führungsexperten Deutschlands.
Die Liebe ist von starker Sehnsucht geprägt
Die stärkste Sehnsucht des Menschen gilt seit seiner Geburt der Erfahrung der Liebe. Und sie ist für ein gelingendes Leben von entscheidender Bedeutung. Wie man die Liebe allerdings lernt, gehört keineswegs zum Allgemeinwissen. Wenn Albert Kitzler in seinem neuen Buch „Die Weisheit der Liebe“ von Liebe spricht, dann meint er damit wesentlich mehr als die partnerschaftliche Liebe: „Unter Liebe soll hier jede Art von starker Sehnsucht nach etwas verstanden werden.“ Sehr vieles kann Sehnsucht auslösen, und immer ist ihre Erfüllung eine Art von Liebe, nämlich eine Vereinigung mit dem Ersehnten, die in einem Menschen Freude und Glück auslöst. Der Philosoph und Medienanwalt Dr. Albert Kitzler gründete 2010 „Maß und Mitte – Schule für antike Lebensweisheit und eröffnete ein Haus der Weisheit in Reit im Winkl.
So schmeckt Venedig
Lange bevor Wolfgang Salomon begann, sich mit der venezianischen Kultur und dem nicht immer so glanzvollen Leben im Hier und jetzt zu beschäftigen, war der Besuch in einem Bàcaro oder in einer erdigen Osteria der krönende Abschluss nach einem erlebnisreichen Tag in seiner Lieblingsstadt. Aber egal in welch abgelegenen Winkel Venedigs es Wolfgang Salomon im Laufe der Jahre verschlug, Essen und Trinken war im Grunde immer das Thema. So lernte er auf seinen Erkundungsgängen und -fahrten unzählige Alimentari, Caffès, Bars, Osterien, Trattorien, Ristoranti, aber auch die Toplokale der venezianischen Lagune kennen. Für sein neues Buch hat der Autor über ein Jahr lang in Venedig recherchiert. Herausgekommen ist dabei sein rein subjektives Kompendium mit über 200 Adressen empfehlenswerter Lokalitäten. Jedes ist ein kleiner lukullischer Mikrokosmos für sich. Wolfgang Salomons Begeisterung für Venedig kennt keine Grenzen. Immer wieder entdeckt der Bestsellerautor neue Facetten der Serenissima – kulinarisch wie kulturell.
Die Frühe Neuzeit ist das Zeitalter der Überreichweiten
In seinem neuen Buch „Überreichweiten“ setzt sich Martin Mulsow mit neuen Perspektiven einer globalen Ideengeschichte auseinander. Im Fokus bei diesem Unternehmen stehen dabei transnationale und vor allem transkulturelle Verbindungen von Wissensbeständen. Dabei ist für Martin Mulsow Unverbundenheit ein genau so wichtiger Umstand wie Verbundenheit. Der Autor weiß: „Jede transkulturelle Forschung ist notwendigerweise standortgebunden. Das hängt mit der jeweils eigenen intellektuellen Sozialisierung zusammen.“ Und eine globale Ideengeschichte ist nicht anders als in Fallstudien zu betreiben. In seinem Buch interpretiert Martin Mulsow die Frühe Neuzeit als ein Zeitalter der Überreichweiten. Als eine Zeit, in der Quellen aus nah und fern sozusagen dasselbe funkten, ohne dass man mit dieser Verdopplung zurechtkam und sie manchmal nicht einmal bemerkte. Martin Mulsow ist Professor für Wissenschaftskulturen an der Universität Erfurt und Direktor des Forschungszentrums Gotha.
Timothy Garton Ash macht aus Europa eine persönliche Geschichte
Timothy Garton Ash ist Historiker, Kommentator und Zeitzeuge zugleich. Kenntnisreich, pointiert und sehr persönlich erzählt er in seinem neuen Buch „Europa“ die Geschichte des gleichnamigen Kontinents. Beginnend vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis auf den russischen Überfall auf die Ukraine. Timothy Garton Ash schreibt: „Dieses Buch ist eine persönliche Geschichte Europas. Es ist keine Autobiografie. Vielmehr ist es eine Geschichte, die durch persönliche Erinnerungen veranschaulicht wird.“ Dabei stützt sich der Autor auf seine eigenen Tagebücher, Notizhefte, Fotos, Erinnerungen, Lektüren, Beobachtungen und Gespräche während des letzten halben Jahrhunderts. Aber er greift dabei auch auf die Erinnerung anderer Menschen zurück. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.
Das Ende der Literatur scheint gekommen zu sein
In seinem neuen Buch „Vom Ende der Literatur“ kritisiert Alain Finkielkraut: „Man liest nicht mehr, man korrigiert und klagt an.“ Der Bannstrahl der neuen Moral und der Wille zur Umerziehung entspringen nicht dem Tugendideal der Askese, sondern einem egalitären Ideal. Man hütet sich übrigens, das Wort Tugend zu verwenden, weil man sich unbedingt vom Krieg gegen die Libido distanzieren will. Im Kapitel „Erbaulicher Kitsch statt sexistischer Klischees“ behauptet Alain Finkielkraut, dass es sich beim Neofeminismus um Vandalismus handelt: „Unter dem großtönenden Vorwand, das Privileg der Männlichkeit abzuschaffen, wird die Sprache entstellt – bis zur Unleserlichkeit und Unaussprechlichkeit.“ Man ersetzt den Reichtum einer Sprache, den zahllose Schriftsteller mitgeschaffen haben, im Namen der Gleichberechtigung durch ein grauenhaftes Kauderwelsch. Alain Finkielkraut gilt als einer der einflussreichsten französischen Intellektuellen.
Epistemische Ungerechtigkeit ist erkenntnistheoretischer Natur
Miranda Fricker befasst sich in ihrem Buch „Epistemische Ungerechtigkeit“ mit der Idee, dass es eine besondere Art von Ungerechtigkeit gibt, die besonders Erkennende und Wissende betrifft. In ihrem Werk arbeitet die Autorin zwei Formen von epistemischer Ungerechtigkeit heraus, die eindeutig erkenntnistheoretischer Natur sind. Und sie zeigt dabei, dass sie grundsätzlich in einem Unrecht bestehen, das jemandem speziell in seiner Eigenschaft als Wissendem zugefügt wird. Miranda Fricker nennt sie Zeugnisungerechtigkeit und hermeneutische Ungerechtigkeit und erklärt: „Zeugnisungerechtigkeit tritt auf, wenn eine Hörerin aufgrund von Vorurteilen den Äußerungen einer Sprecherin eine geringere Glaubwürdigkeit zubilligt. Hermeneutische Ungerechtigkeit tritt in einem früheren Stadium auf, nämlich dann, wenn eine Lücke in den kollektiven Interpretationsressourcen jemanden in seinem Bemühen, die eigenen sozialen Erfahrungen sinnvoll zu deuten, auf unfaire Weise benachteiligt.“ Miranda Fricker ist Professorin für Philosophie an der New York University, Co-Direktorin des New York Institute für Philosophy und Honorarprofessorin an der University of Sheffield.
Alle Menschen teilen universelle Werte
Hanno Sauer stellt in seinem neuen Buch „Moral“ fest, dass universelle Werte scheinbar erodiert sind und eine allgemeingültige Moral der Vergangenheit angehört. Doch seiner Meinung nach trügt der Schein. Denn tatsächlich gibt es universelle Werte, die alle Menschen miteinander teilen. Der Autor erzählt die Geschichte der Moral von der Evolution menschlicher Fähigkeit zur Kooperation vor fünf Millionen Jahren bis zu den jüngsten Krisen moralischer Polarisierung. Und Hanno Sauer erklärt, welche Prozesse die moralische Grammatik der Gegenwart prägen. Wer verstehen will, wie die Moral die Identität der Menschen bestimmt, muss ihre Geschichte verstehen. Sie handelt von allem, was dabei wichtig war: von Werten, Prinzipien, den Quellen der Identität, den Fundamenten der Gemeinschaft und vom Mit- und Gegeneinander. Hanno Sauer ist Associate Professor of Philosophy und lehrt Ethik an der Universität Utrecht in den Niederlanden.
Eine säkularisierte Kultur braucht eine eigene Philosophie
In dem vorliegenden Band „Pragmatismus und Antiautoritarismus“ von Richard Rorty sind die Texte einer Vorlesungsreihe an der Universität von Girona versammelt. Darin versucht sich der große Denker auszumalen, wie die Philosophie aussähe, wenn die Kultur durch und durch säkularisiert würde. Also wenn die Vorstellung von Gehorsam gegenüber einer außermenschlichen Autorität vollständig verschwände. Eine unvollständig säkularisierte Kultur bewahre sich dabei ein Gefühl für das Erhabene, das Sublime. Vollständige Säkularisierung würde allgemeine Einigkeit über die Zulänglichkeit des Schönen bedeuten. Das Erhabene lässt sich weder darstellen noch beschreiben noch aussprechen. Ein bloß schöner Gegenstand oder Sachverhalt hingegen vereinigt ein Mannigfaltiges in besonders befriedigender Weise. Richard Rorty (1931 – 2007) war einer der bedeutendsten Philosophen seiner Generation. Zuletzt lehrte er Vergleichende Literaturwissenschaft an der Stanford University.
Die Frühromantiker folgten der Idee des freien Ich
In ihrem Buch „Fabelhafte Rebellen“ beschreibt Andrea Wulf eine Gruppe von Frühromantikern, die in Jena lebten und die Idee des freien Ich folgten. Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte postulierte: „Der Mensch soll sich selbst bestimmen und nie durch etwas fremdes sich bestimmen lassen.“ Für die etwa zehn Jahre, die der Zirkel dieser Denker ab Mitte der 1790er Jahre in Jena zusammenlebten, entwickelte sich die kleine Stadt an der Saale zum Mittelpunkt der abendländischen Philosophie. Es war zwar nur ein kurzer Augenblick im Zeitenlauf, aber der Moment, der das Denken der Menschen von Grund auf veränderte. Als Autorin wurde Andrea Wulf mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet, vor allem für ihren Weltbestseller „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ 2016, der in 27 Sprachen übersetzt wurde.
Volker Gerhardt entwirft eine Philosophie der Demokratie
Von der ersten Demokratie in Athen bis zu den Vereinten Nationen beschreitet Volker Gerhardt in seinem neuen Buch „Individuum und Menschheit“ einen langen Weg durch die Weltgeschichte. Lange bevor es die erste Demokratie gegeben hat, gab es ihre Definition als politische Ordnung, in der die Freiheit eines jeden mit seiner Gleichheit vor dem Gesetz verbunden ist. Der Einzelne wurde als Individuum anerkannt und galt zugleich als Ursprung eines gemeinschaftlichen Ganzen. Dieses umfasst letztlich alle Menschen und gewinnt seine Einheit durch nichts Geringeres als das Recht. Doch die Demokratie blieb in der langen Zeit ihres Bestehens umstritten und gefährdet. Und es scheint, als stehe sie auch in der Gegenwart vor einer weiteren großen, vielleicht sogar vor ihrer ultimativen Bewährungsprobe. Volker Gerhardt lehrte bis 2012 als Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin. Dort ist er auch weiterhin als Seniorprofessor tätig.
Die Politik Merkels und Putins führte ins Verderben
Thomas Mayer erzählt in seinem Buch „Russlands Werk und Deutschlands Beitrag“ die deutsch-russische Geschichte bis zum Ukraine-Krieg. Er beschreibt das Geschehen anhand der Biografien von Angela Merkel und Wladimir Putin. Auf ihre Weisen waren die beiden Politiker Repräsentanten einer Zeit des unechten Friedens. Thomas Mayer hat ein Buch geschrieben, das deutlich macht, wie sehr die liberale Demokratie des Muts bedarf. In den frühen Morgenstunden des 24. Februars überfielen die Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin die Ukraine. Der Berliner Politikbetrieb war geschockt. Die Vorhersage des Angriffs durch die US-amerikanischen Nachrichtendienste hatte man als Kriegsgeheul beiseitegeschoben. Nun war man fest davon überzeugt, dass die ukrainischen Truppen dem Überfall ein paar Stunden oder höchstens wenige Tage standhalten könnten. Der promovierte Ökonom Thomas Mayer leitet das Research Institute der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch.
Mattias Desmet erforscht die Psychologie des Totalitarismus
In seinem neuen Buch „Die Psychologie des Totalitarismus“ analysiert Mattias Desmet unter andere den psychologischen Prozess der Massenbildung. Dadurch kann er die geradezu verblüffenden Merkmale einer totalisierten Bevölkerung verstehen. Ein Kennzeichen besteht in der radialen Bereitschaft der Individuen, ihre persönlichen Interessen aus Solidarität mit dem Kollektiv – das heißt mit der Masse – zu opfern. Ein weiteres Merkmal ist die Intoleranz gegenüber dissidenten Stimmen und die Empfänglichkeit für absurde – pseudowissenschaftliche – Indoktrination und Propaganda. Matthias Desmet erklärt: „Massenbildung ist im Grunde eine Form von Gruppenhypnose, die Individuen jeglicher Fähigkeit zu kritischer Distanz und ethischem Bewusstsein beraubt. Dieser Prozess ist schleichend; eine Bevölkerung fällt ihm arglos zum Opfer.“ Mattias Desmet ist Professor für Klinische Psychologie an der Abteilung für Psychoanalyse und klinische Beratung der Universität Gent.
Der Zufall ist oft ein entscheidende Faktor im Leben
Christian Busch zeigt in seinem Buch „Erfolgsfaktor Zufall“ wie Menschen die verborgene Kraft, die ihr Leben formt, erkennen und nutzen können: den Zufall. Er beschreibt, wie unerwartete Momente den sozialen Alltag erweitern und neue berufliche und private Möglichkeiten schaffen können. Trotz aller Planung, Konzeption und Strategie scheint ein weiterer Faktor sehr wichtig zu sein: das Unerwartete. Christian Busch schreibt: „Tatsächlich sind unvorhergesehene Ereignisse, zufällige Begegnungen oder scheinbar bizarre Zufälle nicht nur kleine Ablenkungen oder Streuverluste in unserem Leben. Der Zufall ist oft der entscheidende Faktor, die Kraft, die den größten Unterschied für unser Leben und unsere Zukunft ausmacht.“ Prof. Dr. Christian Busch ist Direktor des CGA Global Economy Programs an der New York University (NYU) und lehrt auch an der London School of Economics and Political Science (LSE).
Ulrich Grober spricht die Sprache der Zuversicht
Ulrich Grober nimmt in seinem neuen Buch „Die Sprache der Zuversicht“ zwei Setzungen vor: „Die Erde ist der schönste Stern am Firmament. Und: Das Leben ist gut.“ Das ist der Rahmen, den dieses Buch vorschlägt. Es ist – unhintergehbar, nicht zu beweisen – der Nullpunkt, den es fruchtbar machen will. In diesen Grundannahmen und diesem Grundvertrauen, denkt Ulrich Grober, liegen die Quellen aller positiver Energien. Die anderen Fragen schließen sich an: Was macht das Leben nachhaltig, verleiht ihm Bedeutung? Was gibt Zuversicht? Die Überzeugung von der Wirksamkeit des eigenen Tuns ist für Ulrich Grober jedenfalls ein wichtiger Faktor. Eine alte Erfahrung lautet: „Erfolgreich kämpfst du nur für etwas, nicht bloß gegen etwas.“ Den Publizisten und Buchautor Ulrich Grober beschäftigt die Verknüpfung von kulturellem Erbe und Zukunftsvisionen.
Auch die Guten lügen
Zeitgenossenschaft bedeutet, sich tastend dem anzunähern, was die Zeit, in der man lebt, ausmachen könnte. Konrad Paul Liessmann unternimmt in seinem Buch „Lauter Lügen“ mit seinen Texten solche Annäherungsversuche. Bei dieser Aufgabe, von markanten Vorkommnissen auf den Geist der Zeit zu schließen oder in manchen Nachrichten die Signaturen der Epoche zu erkennen, bewegt man sich stets auf schwankendem Boden und dünnem Eis. Es gibt nicht wenige Menschen, die die Gegenwart als postfaktisches Zeitalter bezeichnen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Ungeniert können Populisten Lügen verbreiten, ihre Anhänger wissen das und jubeln trotzdem oder vielleicht gerade deshalb.“ Das ist jedoch nicht verwunderlich, denn in der Politik geht es nicht um Wahrheit, sondern um Machtfragen. Konrad Paul Liessmann ist Professor emeritus für Philosophie an der Universität Wien, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist.
Jonathan Rauch verteidigt das Gesetz der Erkenntnis
Jonathan Rauch erklärt und verteidigt in seinem Buch „Die Verteidigung der Wahrheit“ das Gesetz der Erkenntnis. Dabei handelt es sich um Regeln, welche die liberale Wissenschaft definieren und die Gemeinschaft organisieren. Der Autor zeigt, was zu tun ist, um die Wahrheit zu verteidigen, ganz besonders in Krisenzeiten wie diesen. Vielleicht ist Erkenntnis die richtige Wahrnehmung der Welt, allerdings unterscheidet sich die Wahrnehmung von Mensch zu Mensch und selbst im einzelnen Menschen ist sie nicht immer gleich. Auf Strenge und Demut beruht die Haltung desjenigen, der nach der Wahrheit sucht. Der Erwerb von Erkenntnis ist ein Gespräch und kein Zielpunkt. Es ist ein Prozess, eine Reise – und zwar eine, die Menschen gemeinsam unternehmen und nicht jeder für sich. Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.
Die Befreiung dient der Rechtfertigung von Herrschaft
Christoph Menke vertritt in seinem Buch „Theorie der Befreiung“, dass sich die Menschheit in einer Zeit der gescheiterten Befreiungen befindet. Denn die Befreiung von äußerer Herrschaft und Bevormundung hat zu Regimen der Selbstkontrolle und Selbstdisziplin geführt. Die Befreiung der menschlichen Bedürfnisse und Interessen aus den Grenzen, die ihnen durch Tradition und Sittlichkeit gezogen waren, hat sie der Verwertungslogik der kapitalistischen Ökonomie unterworfen. Alle Befreiungsversuche, ob politisch, ökonomisch, rechtlich, ethische, kulturell oder künstlerisch, haben sich in Paradoxien und Widersprüche verfangen. Sie haben neue Gestalten und Strategien der Herrschaft hervorgebracht. Christoph Menke betont: „Mehr noch ist offensichtlich geworden, dass die Befreiung in Wahrheit immer schon der Rechtfertigung von Herrschaft diente.“ Christoph Menke ist Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.