Der Klimawandel verschärft die gesellschaftlichen Ungleichheiten

Friederike Otto beschreibt in ihrem Buch „Klimaungerechtigkeit“ wie der Klimawandel gesellschaftliche Ungleichheiten verschärft. Denn die Wohlhabenden sind nicht diejenigen, die am heftigsten von den Folgen ihres Verhaltens betroffen sind. Die Auswirkungen von Extremereignissen wie Hitzewellen in Kanada und Afrika oder Überschwemmungen in Pakistan haben die unterschiedlichsten Auswirkungen. Jedes Zehntel Grad globaler Erwärmung führt zu immer größeren Schäden und Verlusten. Aber wer diese spürt und wie, hängt nur zu einem ganz geringen Teil vom Wetter und Klima ab. Die Autorin weiß, was getan werden muss, um die Welt unter diesen neuen Vorzeichen zu einer gerechten zu machen. Friederike Otto forscht am Grantham Institute for Climate Chance zu Extremwetter und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Sie hat das neue Feld der Zuordnungswissenschaft – Attribution Science – mitentwickelt.

Die Armen leiden am meisten unter den Folgen des Klimawandels

Ob Wetter zur Katastrophe wird, bestimmen Vulnerabilität und Exposition. Die Auswirkungen von Extremereignissen sind immer kontextabhängig. Stets spielt es eine große Rolle, wer sich vor dem Wetter wie schützen kann. Deshalb ist der Begriff „Naturkatastrophe“ vollkommen unangebracht. Wer Extremwetterereignisse erforscht, schaut wie durch ein Brennglas auf Gesellschaften. Dabei beobachtet man, wie das Zusammenspiel von Wetter, Klima, Geografie, Information, Kommunikation, Regierungsstrukturen und sozioökonomischen Gegebenheiten zu Katastrophen führt – und vor allem für wen.

Friederike Otto schreibt: „Je reicher wir sind und je privilegierter wir leben, desto weniger anfällig sind wir für die physischen Folgen der Erderwärmung. Andersherum gesagt: Wer am wenigsten hat, leidet am meisten unter den Folgen des Klimawandels.“ Friederike Ottos Interpretation der Extremwetterereignisse, die zu Katastrophen werden, ergibt immer wieder, dass das Erbe des Kolonialismus alles durchzieht. Und der Einfluss der Industrie, die mit dem Verbrennen fossiler Brennstoffe reich und mächtig geworden ist, prägt weltweit die Erzählung davon, was ein erstrebenswertes Leben sei.

Nur gemeinsam kann man den Klimawandel bekämpfen

Die Abholzung insbesondere tropischer Regenwälder ist seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 1959 für fast ein Fünftel – 19 Prozent – der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Obwohl Waldbrände zumeist durch menschliches Verschulden entstehen, können Klima und Wetter Schlüsselfaktoren dabei sein, wie sehr Brände sich ausbreiten und wie intensiv sie sind. Vor allem Dürreperioden wirken als Brandbeschleuniger. Während Dürren in mittleren Breiten recht zufällig auftreten, hängen sie in den Tropen zumindest zum Teil mit Schwankungen der Oberflächentemperatur des Pazifiks zusammen.

In dem Buch „Klimaungerechtigkeit“ geht es um Wetter und Klima, aber zugleich auch um Armut, Sexismus, Rassismus, Arroganz, Ignoranz und Macht. Was dieses Buch aber auch darlegt, sind verschiedene Lösungen, die für die vielgestaltigen Probleme erarbeitet werden. Friederike Otto schreibt: „Wir können uns nun also entweder Katastrophenszenarien ausmalen, darüber in Panik geraten und resignieren, oder realisieren, dass es viele Baustellen gibt und wir ganz viel „agency“ haben, um sie zu lösen.“ Agency steht für Handlungsmacht und Handlungsfähigkeit, die in jedem Menschen innewohnt. Der Klimawandel ist keine Katastrophe, wegen der man den Kopf in den Sand stecken muss, sondern Anlass, gemeinsam Dinge zu ändern.

Klimaungerechtigkeit
Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat
Friederike Otto
Verlag: Ullstein
Gebundene Ausgabe: 332 Seiten, Auflage: 2023
ISBN: 978-3-550-20244-5, 22,99 Euro

Von Hans Klumbies