Herfried Münkler analysiert in seinem neuen Buch „Welt in Aufruhr“ die aktuelle Geopolitik und zeigt, wo in Zukunft die Konfliktlinien verlaufen. Viel spricht seiner Meinung dafür, dass ein neues System regionaler Einflusszonen entsteht, dominiert von fünf Großmächten. Die letzten Jahrzehnte sind von tiefgreifenden und folgenreichen Veränderungen der weltpolitischen Konstellationen geprägt. Im globalen Süden hat es sogar eine Reihe disruptiver Entwicklungen gegeben, wie etwa das Ende der europäischen Kolonialreiche. Die jüngsten Veränderungen bezeichnet man daher gerne als „Weltunordnung“. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts zerfiel die Sowjetunion. Im Rückblick ist es immer noch frappierend, wie unspektakulär sich das Ende dieses vormals zentralen Akteurs der Weltpolitik vollzog. Herfried Münkler ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Viele seiner Bücher gelten als Standardwerke, etwa „Imperien“ oder „Die Deutschen und ihre Mythen“.
Die Veränderung der Weltordnung vollzieht sich immer schneller
Inzwischen ist den USA durch China ein ernstzunehmender Konkurrent mit globalem Anspruch erwachsen. Derweil sucht die Europäische Union nach ihrer Rolle in den sich formierenden Weltmächten. Für sie gilt, was man einst von der Bundesrepublik Deutschland gesagt hat: wirtschaftlich ein Riese, politisch ein Zwerg. Herfried Münkler schreibt: „Die Beschleunigung des weltpolitischen Wandels, die sich immer schneller vollziehende Veränderung der Weltordnung ist nicht zuletzt die Folge einer „Raumrevolution“, die sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat.“
Das heißt, die Entfernungen zwischen den geopolitischen Räumen sind immer kleiner geworden. Das allgegenwärtige Wissen um Kriege und Katastrophen in der Welt führt freilich dazu, dass manchen, was über kurze Zeit für helle Aufregung sorgt, rasch wieder in den Hintergrund tritt und vergessen wird. Die schlechten Nachrichten überlappen und überlagern sich. Was in der Erinnerung zurückbleibt ist das Bedrohliche und Erschreckende, das dafür sorgt, dass Ängste und Sorgen Einzug ins allgemeine Bewusstsein halten.
Die Entstehung einer Fünfherrschaft ist am wahrscheinlichsten
Die neue Weltordnung könnte auf ein System der Fünf hinauslaufen: neben den USA, China und Russland also noch die Europäische Union und Indien. Die Europäer werden sich erheblich anstrengen müssen, um dem kleinen Kreis der die die Weltordnung dominierenden Akteure anzugehören. Das heißt, sie müssen sich aus einem Regelgeber und Regelbewirtschafter in eine politisch handlungsfähige Macht verwandeln. Ob sie das schaffen, wird sich wohl in diesem Jahrzehnt entscheiden.
Herfried Münklers auf rationale Kalkulationen gestützte Überlegungen lassen die Entstehung von Pentarchien – griechisch für Fünfherrschaft – zwar nicht als zwangsläufig erscheinen, aber sie machen sie doch von allen vorstellbaren Ordnungen zu den wahrscheinlichsten. Herfried Münkler fasst zusammen: „Es sind, so das Resümee, nicht nur einzelne Mächte, die in oder and er neuen Weltordnung scheitern können, sondern scheitern kann diese globale Ordnung auch als Ganzes. Die Folgen wären freilich furchtbar.“
Welt in Aufruhr
Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert
Herfried Münkler
Verlag: Rowohlt – Berlin
Gebundene Ausgabe: 526 Seiten, Auflage: 2023
ISBN: 978-3-7371-0160-8, 30,00 Euro
Von Hans Klumbies