Der Organismus ist auf Energiesparen getrimmt

Da der Homo sapiens in den Grundfunktionen noch wie ein Steinzeitmensch funktioniert, ist sein Organismus auf Energiesparen getrimmt. Franc Cerutti weiß: „Unser Gehirn will faul sein. Daher nutzt es bereits existierende Nervenverbindungen viel lieber, als sich energieaufwendig neue schaffen zu müssen.“ Vertrautes, gewohntes und alltägliches Denken gleicht dem Fahren auf einer vierspurigen Autobahn. Neues, unvertrautes und daher noch unverknüpftes Denken gleicht dahingegen eher der mühsamen Bahnung eines neuen Trampelpfads durch unwegsames Gelände. Das kostet Kraft. Das menschliche Gehirn vermeidet es lieber. Und genau das kann im Leben eines Menschen zu ausgewachsenen Problemen führen. Fast jeder kennt zum Beispiel diesen Konflikt: Man reagiert angsterfüllt, obwohl man weiß, dass es nichts zum Fürchten gibt. Franca Cerutti ist Psychotherapeutin mit eigener Praxis und Podcasterin.

Das Gehirn besteht aus rund 86 Milliarden Nervenzellen

Man kann sich durchaus vorstellen, dass ein Gebilde wie das Gehirn, das komplexer ist als ein Supercomputer und das aus biologischer Masse besteht, öfter mal eine „Fehlschaltung“ hat. Franca Cerutti nennt Beispiele: „Wenn du stolperst, dich verschluckst oder beim Dartspielen daneben wirfst, tolerierst du das meist problemlos.“ Einem „falschen“ Wort, einem „unangebrachten“ Gefühl oder einem „kruden“ Gedanken misst man dagegen möglicherweise zu viel Bedeutung zu. Womöglich geht man sogar hart mit sich ins Gericht.

Man sollte jedoch gegenüber der eigenen Person nachsichtig sein, denn man ist kein Computer. Der Mensch ist ein Lebewesen. Und dadurch ist er fehlerhafter und fehlbarer als jede Maschine, aber gleichzeitig lernfähig, neuroplastisch und wunderbar einzigartig. Franca Cerutti erklärt: „Deine Nervenzellen, auch Neurone genannt, sind Zellen, die winzige Mengen an Strom leiten und an die nächste Zelle weitergeben. Der Mensch besitzt rund 86 Milliarden Nervenzellen. Das ist eine unvorstellbar große Zahl.“

Nervenzellen sind so gut wie nicht erneuerbar

Alle Nervenzellen eines Menschen aneinandergeknüpft wären 5,8 Millionen Kilometer lang. Um diese Strecke abzufahren, müsste man die Erde 145-mal umrunden. Nervenleitungen kann man sich wie dicke Äste mit vielen kleine Verästelungen vorstellen, die wie Stromkabel funktionieren. Wenn man seinen Arm ausstreckt und die Finger spreizt, wäre der Arm das „Hauptkabel“, genannt Axon, und die Finger wären die davon abgehenden „Nebenkabel“ genannt Dendriten. Hierdurch fließt der Strom.

Die Nervenzellen eines Menschen sind kostbar und so gut wie nicht erneuerbar. Franca Cerutti ergänzt: „Daher gilt im Großen und Ganzen: Was kaputt ist, ist kaputt und kommt nicht wieder. Der Ausgleich dafür liegt in den Nervenverbindungen zueinander.“ Je nachdem, was so eine Nervenzelle für eine Aufgabe hat, hat sie nämlich bis zu 10.000 Kontaktpunkten mit anderen Nervenzellen. Diese Kontaktpunkte nennt man Synapsen. Und die Aussprossung neuer Synapsen kann man gezielt vorantreiben. Hier setzt das „Gehirntraining“ an, bei den neuen Verbindungen. Quelle: „Psychologie to go! von Franca Cerutti

Von Hans Klumbies