Wolfram Eilenberger beschreibt das wichtigste Jahrzehnt der deutschen Geistesgeschichte

Die Hauptfiguren in Wolfram Eilenbergers neuem Buch „Zeit der Zauberer“ sind die großen Denker Martin Heidegger, Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin und Ernst Cassirer. In den Lebenswegen und dem revolutionären Denken dieser vier Ausnahmephilosophen sieht der Autor den Ursprung der heutigen Welt begründet. Ludwig Wittgenstein ist der Verfasser des legendären Werks „Tractatus-logico-philosophicus“. Er beendet das Buch in dem festen Bewusstsein, sämtliche Probleme des Denkens „im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben“. Martin Heidegger hatte im Frühjahr 1927 mit „Sein und Zeit“ sein Hauptwerk veröffentlicht, das binnen weniger Monate als neuer Meilenstein des Denkens anerkannt war. Ernst Cassirer veröffentlichte eine dreiteilige „Philosophie der symbolischen Formen“. Dieses Werk etablierte ihn als unbestrittenes Haupt des Neukantianismus und damit der führenden akademischen Strömung der deutschen Philosophie. Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie“ im Schweizer Fernsehen.

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Die Innenschau ist der Königsweg zum menschlichen Geist

Der österreichisch-deutsche Philosoph Edmund Husserl begründete Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Phänomenologie eine eigene philosophische Strömung, di das Fundament der Philosophie im menschlichen Bewusstsein sah. Philipp Hübl erläutert: „Er beginnt mit der Beobachtung, dass man manchmal zwischen Wahrnehmung und Halluzination nicht unterschieden kann.“ Wenn man in sich hineinschaut, muss man eine Enthaltung eines Urteils praktizieren, also eine Distanz zu allem einnehmen, was man über die Welt glaubt, vor allem, indem man die Existenz von Dingen gleichsam einklammert. Die natürliche Einstellung eines Menschen ist nämlich, dass Dinge unabhängig von ihm existieren. Doch die Dinge in der Welt, also etwa eine Blume, muss man klar von den eigenen Eindrücken, also dem Blumenerlebnis im Bewusstsein, unterscheiden. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Die Hermeneutik ist die philosophische Lehre vom Verstehen

Der Ansatz der Hermeneutik von Wilhelm Dilthey ist von Friedrich Nietzsche und der Lebensphilosophie beeinflusst. Wilhelm Diltheys lebensphilosophische Begründung der Hermeneutik wird von Martin Heidegger und Hans-Georg Gadamer fortgeführt, wobei Hans-Georg Gadamer, der von 1900 bis 2002 lebte, als der bedeutendste Vertreter der Hermeneutik im 20. Jahrhundert angesehen wird. Thomas Rentsch erläutert: „In seinem Hauptwerk „Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik“ verbindet er seine Forschungen zur antiken Philosophie, insbesondere zum sokratischen Dialog, mit Husserls Phänomenologie und Heideggers existentialer Hermeneutik von „Sein und Zeit“. Hermeneutik, die Kunstlehre des Verstehens, hat – wie bei Sokrates und Platon – eine dialogische Struktur: die von Frage und Antwort.“ In diesem Verhältnis stehen die Menschen auch zu ihrer Überlieferung, die fragend immer wieder neu angeeignet werden kann und muss. Thomas Rentsch ist Professor für Philosophie an der TU Dresden.

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Eine eindeutige Schönheitsformel hat noch niemand gefunden

Die Titelgeschichte des neuen Philosophie Magazins Nr.03/2014 lautet „Was macht uns schön?“. Darin gehen die Autoren unter anderem der Frage nach, wonach wahre Schönheit verlangt. Da die Menschen heute in einer Zeit leben, in der sich alle Normen aufzulösen scheinen, wird gerade in Fragen der Schönheit der Normierungsdruck immer stärker. Während die Griechen die Schönheit noch mit dem Wahren und Guten gleichsetzten, unterliegt sie in der modernen Gesellschaft dem Verdacht der Oberflächlichkeit und Gedankenferne. Obwohl die Schönheit jeder ersehnt, bekommt sie niemand so recht zu fassen. „Nur eines scheint sicher: Ein Leben ohne Schönheit wäre schlicht unerträglich. Sie ist der wahre Preis unserer Existenz.“ Allerdings verfügten weder die Griechen noch die heutigen Attraktivitätsforscher über eine eindeutige Schönheitsformel. Denn allen propagierten Idealmaßen zum Trotz, scheinen subjektive Gefühle wie Liebe und Zuneigung die Optik so zu verwirren, dass selbst von dem unvollkommensten Menschen eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeht.

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Vilém Flusser sieht in der Demkokratie eine Worthülse

Der Philosoph Vilém Flusser, ein Prager Jude, war in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Medienstar. Die Menschheit kommt laut Vilém Flusser nicht aus den Genen, die sie mit den Affen teilt, sondern Menschheit ist für ihn nur das, was den Menschen von den Affen trennt: die Information. Das Wissen lässt sich weitergeben, eben weil der Mensch sterblich ist und weil Gott nicht existiert. Tiere sind Würmer oder Affen, die in den vier Dimensionen von Raum und Zeit konsumieren, vegetieren und exkretieren. Der Urmensch bricht aus diesem Kontinuum einen Faustkeil heraus. Der Stein verwandelt sich zur ägyptischen Unsterblichkeit der Pyramide. Der Mensche wird zum Jäger, siedelt sich in dunklen Höhlen an, deren Wände er mit Bildern seiner Beutetiere bemalt. Es beginnt die Anbetung der Flächen.

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T. S. Eliot ist das Vorbild für die lyrische Avantgarde

T. S. Eliot verkörpert auf dem Gebiet der Dichtung wie kein anderer Autor des 20. Jahrhunderts die lyrische Avantgarde. Seinen unsterblichen Ruhm begründete sein epochales Gedicht „Das wüste Land“. Er hat darin wie kein anderer Dichter die existentielle Krise der Moderne und deren möglichen Überwindung geschildert. T. S. Eliot schildert in seinem Hauptwerk den Geist seiner Zeit, der sich in der Trostlosigkeit der Großstadt manifestiert. „Das wüste Land“ wird zum Symbol für die Orientierungslosigkeit und einer Sprach- und Sinnkrise nach dem ersten Weltkrieg. Das Gedicht beginnt mit folgenden Zeilen:

“APRIL is the cruellest month, breeding
Lilacs out of the dead land, mixing
Memory and desire, stirring
Dull roots with spring rain.”

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Martin Heidegger und seine Leidenschaft des Denkens

Die Leidenschaft des Denkens hat der Philosoph Martin Heidegger in den Mittelpunkt seines Lebens gesetzt. Er führte ein Zwiegespräch mit den großen Denkern der Philosophie, von Platon bis Friedrich Nietzsche. Er wollte aufdecken und denkend erfassen, worum es den großen Philosophen ging, was sie im Innersten bewegte. Es ging ihm um die Deutung des Seienden im Ganzen, von Platons Entwurf des wahrhaft Seienden als Idee bis hin zu Friedrich Nietzsches Versuch der Umkehr des Platonismus bei seiner Deutung des Seienden als Wille zur Macht.

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