Soziale Verbundenheit könnte ein Idealzustand sein

Das Assimilationsideal strebt nach sozialem Zusammenhalt, opfert aber dafür das Bedürfnis des Einzelnen, mit seiner Herkunftsgemeinschaft in Verbindung zu bleiben. Das Multikulturalismusideal wertet diese Verbindung zu diesen Herkunftsgemeinschaften auf Kosten sowohl eines vernünftigen Identitätsverständnisses als auch der wertvollen Fluidität sozialer Bindungen auf. Danielle Allen stellt fest: „Das Ideal sozialer Verbundenheit und einer vernetzten Gesellschaft wart dagegen die Autonomie.“ Eine Assoziationsökologie, die das Bauen von Brücken maximiert, sollte egalitäre Effekte mit sich bringen. Zudem sollte sie die Wahrscheinlichkeit minimieren, dass soziale Differenz sich mit Herrschaft verknüpft. Damit hat Danielle Allen ein soziales Prinzip der Organisation formuliert. Danielle Allen ist James Bryant Conant University Professor an der Harvard University. Zudem ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

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Jeder Mensch ist von anderen abhängig

Die Sozialphilosophie beschäftigt sich mit lebendigen und haltbaren Bindungen. Diese müssen mit Blick darauf gedacht werden, dass die der Verteidigung würdigen „Selbste“ im politischen Raum gesellschaftlich ungleiche Artikulationsbedingungen haben. Judith Butler erklärt: „Die Beschreibung der sozialen Bindungen, ohne die das Leben gefährdet ist, ist auf der Ebene einer Sozialontologie angesiedelt. Diese ist eher als ein gesellschaftliches Imaginäres denn als eine Metaphysik des Sozialen zu begreifen.“ Anders gesagt lässt sich ganz allgemein davon ausgehen, dass Leben durch soziale Interdependenz gekennzeichnet ist. Gewalt stellt einen Angriff auf diese Interdependenz dar, einen Angriff auf Personen, ja, aber noch grundlegender einen Angriff auf „Bindungen“. Obgleich Interdependenz Differenzierungen von Unabhängigkeit und Abhängigkeit begründet, impliziert sie auch soziale Gleichheit. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

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Michel de Montaigne verehrt die wahre Freundschaft

Die Natur hat den Menschen für das Zusammenleben geschaffen. Aber um eine vollständige und vollkommene Freundschaft aufzubauen, bedarf es laut Michel de Montaigne so vieler günstiger Umstände, dass dies im Zeitraum von drei Jahrhunderten nur einmal vorkommt. Er zitiert Aristoteles, der gesagt hat, dass deshalb den guten Gesetzgebern die Freundschaft mehr am Herzen gelegen sei als die Gerechtigkeit. Michel de Montaigne schreibt: „Nun ist die Freundschaft die eigentliche Erfüllung des Ideals der Gesellschaft: alle anderen Beweggründe für menschliche Bindungen, sexuelle Anziehung, Vorteil, Notwendigkeit für die Gruppe oder für den einzelnen, sind weniger schön und uneigennützig.“

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George Packer schildert hautnah den Niegergang Amerikas

Seit dem Irakkrieg hat George Packer den Eindruck, dass Amerika die großen Dinge nicht mehr gelingen. Schon im Jahr 2008 als er über die Wahl und die Finanzkrise schrieb, war das Bild in den Vereinigten Staaten von Amerika apokalyptisch. George Packer erklärt: „So viele große Institutionen versagten: die Banken, die Kreditfirmen, die Autoindustrie.“ Die amerikanischen Eliten haben seiner Meinung nach damals total versagt. Heute ist Amerika völlig zersplittert, sein Kapitalismus herzlos. Die Gegenwart ähnelt dem Amerika vor rund 120 Jahren. George Packer wurde durch seine Essays und Reportagen im Wochenmagazin „The New Yorker“ zu einem der bekanntesten politischen Journalisten in den USA. In seinem neunen Buch „Die Abwicklung“ schildert er Amerikas wirtschaftliche und soziale Erosion.

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Für Karl Jaspers gibt es keine absolute Unabhängigkeit

Der deutsche Philosoph Karl Jaspers vertritt die These, dass die Unabhängigkeit des Menschen scheinbar lautlos verloren geht, in einer Welt, in der das Dasein durch das Typische, die Gewohnheiten des Alltags und die ungefragten sich wiederholenden Selbstverständlichkeiten überflutet wird. Dieser um sich greifenden Tendenz setzt er das Philosophieren entgegen, in der der denkende Mensch unter allen Bedingungen um seine innere Unabhängigkeit ringt. Denn das Bild des Philosophen wird seit der Antike von seiner Unabhängigkeit geprägt, weil er sich der Welt der Güter entsagt, von der animalischen Herrschaft der Triebe befreit und wie ein Asket befürfnislos lebt.

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Ralf Dahrendorf philosophiert über die Lebenschancen

Ralf Dahrendorf zitiert den Philosophen Karl Popper, der einmal gesagt hat, dass die Geschichte keinen Sinn hat, aber der Mensch kann, ja muss ihr einen Sinn geben. Für ihn selbst ist ein geregelter Konflikt mit Freiheit gleichzusetzen, denn er bedeutet, dass niemand seine Ansichten zum Dogma erheben kann. Ralf Dahrendorf schreibt: „Es gibt Institutionen, die es erlauben, nein zu sagen, und mehr, die jeweils Regierenden abzulösen. Die Freiheit von Willkür und Tyrannis ist nicht gering zu schätzen.“ Für Max Weber war es der Begriff der Chance, der über die bloß formalen Bedingungen des Handels hinaus nötig ist, um die freie, die offene Gesellschaft zu begründen. Für ihn waren Chancen mehr als Voraussetzungen des Handelns und doch weniger als tatsächliche Handlungsweisen.

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Der moderne Mensch braucht Lebensberatung

In der heutigen Zeit wimmelt es laut Martin Seel vor nichts so sehr als von Therapeuten, die ihren Lesern mit erbaulichen Büchern zu einem besseren Leben verhelfen wollen. Martin Seel, der Professor für Philosophie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ist, verwendet als Beispiel das Buch „Glück kommt selten allein …“ von Eckart von Hirschhausen, das sich seit Wochen auf dem ersten Platz der Bestsellerliste des Spiegels befindet. Für Martin Seel ist das Buch ein kabarettistisch angehauchtes, mit der obligatorischen Gehirnforschung und anderen wissenschaftlichen Weisheiten garniertes sowie mit reichlich Bildern und Bildchen ausgestattetes Werk über nahezu alle Höhen und Tiefen des Themas.

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