Soziale Verbundenheit könnte ein Idealzustand sein

Das Assimilationsideal strebt nach sozialem Zusammenhalt, opfert aber dafür das Bedürfnis des Einzelnen, mit seiner Herkunftsgemeinschaft in Verbindung zu bleiben. Das Multikulturalismusideal wertet diese Verbindung zu diesen Herkunftsgemeinschaften auf Kosten sowohl eines vernünftigen Identitätsverständnisses als auch der wertvollen Fluidität sozialer Bindungen auf. Danielle Allen stellt fest: „Das Ideal sozialer Verbundenheit und einer vernetzten Gesellschaft wart dagegen die Autonomie.“ Eine Assoziationsökologie, die das Bauen von Brücken maximiert, sollte egalitäre Effekte mit sich bringen. Zudem sollte sie die Wahrscheinlichkeit minimieren, dass soziale Differenz sich mit Herrschaft verknüpft. Damit hat Danielle Allen ein soziales Prinzip der Organisation formuliert. Danielle Allen ist James Bryant Conant University Professor an der Harvard University. Zudem ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

Aristoteles entwickelt zwei Gerechtigkeitsprinzipien

Aristoteles hat gesehen, dass die Frage, welche Institutionen und Normen eine Definition von Gerechtigkeit verwirklichen, von den zugrunde liegenden demografischen Faktoren abhängt. Nämlich von einem ausgeglichenen Verhältnis von Arm und Reich in der Stadt. Zudem hängt sie ab vom prozentualen Anteil der Landwirte, Händler und feinen Leute sowie vom Bildungsgrad der Bürgerschaft und so weiter. Für die Arbeit an der Gerechtigkeit ist zwar die Konstruktion einer gesellschaftliche Grundstruktur erforderlich. Aber die tatsächliche Form lässt sich unabhängig von einer Analyse des zugrunde liegenden demografischen Kontexts nicht festlegen.

Danielle Allen weiß: „Aristoteles hat zwei zentrale Gerechtigkeitsprinzipien bzw. gesellschaftliche Organisationsprinzipien ermittelt.“ Und er hat sich darum bemüht einzuschätzen, wie sie sich in verschiedenen demografischen Kontexten institutionalisieren lassen. Sein erstes Prinzip war das der proportionalen Gleichheit. Also nach seinem Verständnis der Gedanke, dass die am besten Ausgebildeten und Tugendhaftesten die Führung in einem politischen Gemeinwesen übernehmen sollten.

Jeder sollte Interesse am Erhalt der eigenen Handlungsmacht haben

Das zweite Prinzip von Aristoteles war das der arithmetischen Gleichheit. Also das Prinzip, dass jede Person das gleiche Interesse am Erhalt der eigenen Handlungsmacht hat. Und dass die Menschen insgesamt, selbst bei nicht so guter Ausbildung, zu vernünftigen moralischen Urteilen in der Lage sind. Nachdem er diese Prinzipien ermittelt hat, geht Aristoteles im Mittelteil seiner „Politik“ unterschiedliche Fälle durch. Dabei will er beispielsweise herausfinden, ob in der Stadt X Gerichtsentscheidungen eher Jurys aus dem Volk überlassen oder gut ausgebildeten Eliten übergeben werden sollten.

Worauf es dabei ankommt, ist, dass kein gegebener institutioneller Mechanismus als solcher eine einfache Verkörperung des betreffenden gesellschaftlichen Organisationsprinzip darstellt. Die Verkörperung ergibt sich vielmehr aus dem Verhältnis des institutionellen Mechanismus und des sozialen Kontextes, in dem er operiert. Danielle Allen erläutert: „Aristoteles sucht nach institutionellen Formen, die von Fall zu Fall seine beiden Gleichheitsprinzipien in jeder Stadt gleichzeitig mit Leben erfüllen.“ Quelle: „Politische Gleichheit“ von Danielle Allen

Von Hans Klumbies