George Packer schildert hautnah den Niegergang Amerikas

Seit dem Irakkrieg hat George Packer den Eindruck, dass Amerika die großen Dinge nicht mehr gelingen. Schon im Jahr 2008 als er über die Wahl und die Finanzkrise schrieb, war das Bild in den Vereinigten Staaten von Amerika apokalyptisch. George Packer erklärt: „So viele große Institutionen versagten: die Banken, die Kreditfirmen, die Autoindustrie.“ Die amerikanischen Eliten haben seiner Meinung nach damals total versagt. Heute ist Amerika völlig zersplittert, sein Kapitalismus herzlos. Die Gegenwart ähnelt dem Amerika vor rund 120 Jahren. George Packer wurde durch seine Essays und Reportagen im Wochenmagazin „The New Yorker“ zu einem der bekanntesten politischen Journalisten in den USA. In seinem neunen Buch „Die Abwicklung“ schildert er Amerikas wirtschaftliche und soziale Erosion.

Viele Amerikaner hassen den Staat

Vor 120 Jahren dominierten die Räuberbarone, die Trusts und die Eisenbahnkonzerne die amerikanische Wirtschaft. Heute sind es internationale Unternehmen wie Google, Microsoft und JP Morgan Chase. Doch damals gab es laut George Packer Journalisten, die nichts anderes taten als Skandale aufzudecken, es gab Sozialreformer und Kämpfer gegen die Korruption wie Jane Adams oder Louis Brandeis. Heute dagegen ist es für einzelne Bürger unmöglich, Veränderungen herbeizuführen. Der amerikanische Kapitalismus war schon immer hart, aber früher gab es Gegenmittel ihn zu bändigen. Heute funktionieren sie nicht mehr.

Die USA produziert die modernste Technologie, der Rest der Welt macht es nach. In Amerika funktioniert dies vor allem wegen des wilden, freien Marktes. George Packer fügt hinzu: „Was Amerika von Europa unterscheidet, ist der uralte, radikale, fundamentalistische Hass auf den Staat.“ In den USA ist es nicht schwer, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Regierung das Problem ist. Den politischen Diskurs dominiert deshalb eine Anti-Staats-Ideologie. Allerdings scheint sich diese Phase gerade auf ihr Ende hin zuzubewegen.

Die armen Amerikaner verachten ihre eigene Abhängigkeit

Die meisten Amerikaner sind fest davon überzeugt, dass jeder sich um sich selbst kümmern soll. Der Staat hat sich herauszuhalten. Das Paradoxe dabei ist aber, dass gerade in den konservativsten Gegenden Amerikas die meiste Sozialhilfe ausgezahlt wird. George Packer ergänzt: „Je ärmer die Leute sind und je mehr Essensmarken sie bekommen, desto konservativer werden sie. Es ist ihre Reaktion auf Chaos und Niedergang. Sie verachten ihre eigene Abhängigkeit.“ Auf der anderen Seite sind sie Reichen gegenüber nicht feindselig eingestellt, da sie selbst ja auch gerne reich wären.

Ihr Elend macht die weiße Bevölkerung in den USA auch aggressiver gegenüber Schwarzen, Immigranten und der modernen Welt. Sie träumen von der guten alten Zeit, in der man angeblich in Ruhe gelassen wurde und sein Leben für sich und nach seinen Vorstellungen leben konnte. Das ist laut George Packer eine sehr machtvolle amerikanische Vorstellung. Neu in Amerika ist auch der Grad der Einsamkeit, der viele Menschen betrifft. Das hat vor allem mit dem Niedergang der Familie zu tun, aber auch wirtschaftliche Gründe, denn die Bindungen an eine Firma oder eine Stadt sind verschwunden. Quelle: Süddeutsche Zeitung

Von Hans Klumbies