Das Ende der Literatur scheint gekommen zu sein

In seinem neuen Buch „Vom Ende der Literatur“ kritisiert Alain Finkielkraut: „Man liest nicht mehr, man korrigiert und klagt an.“ Der Bannstrahl der neuen Moral und der Wille zur Umerziehung entspringen nicht dem Tugendideal der Askese, sondern einem egalitären Ideal. Man hütet sich übrigens, das Wort Tugend zu verwenden, weil man sich unbedingt vom Krieg gegen die Libido distanzieren will. Im Kapitel „Erbaulicher Kitsch statt sexistischer Klischees“ behauptet Alain Finkielkraut, dass es sich beim Neofeminismus um Vandalismus handelt: „Unter dem großtönenden Vorwand, das Privileg der Männlichkeit abzuschaffen, wird die Sprache entstellt – bis zur Unleserlichkeit und Unaussprechlichkeit.“ Man ersetzt den Reichtum einer Sprache, den zahllose Schriftsteller mitgeschaffen haben, im Namen der Gleichberechtigung durch ein grauenhaftes Kauderwelsch. Alain Finkielkraut gilt als einer der einflussreichsten französischen Intellektuellen.

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Kulturen müssen von außen befruchtet werden

In der Tat wäre es absurd zu verlangen oder lediglich zu behaupten, dass Kulturen ihren Wandel stets aus sich selbst heraus vollbringen müssten. Thea Dorn schreibt: „Auch für Kulturen gilt: Inzest ist der sicherste Weg in die Degeneration. Befruchtung von außen muss sein.“ Aber sämtliche Wandlungen der deutschen Kultur, selbst diejenigen, die durch Fremdherrschaft wie der Römer oder Besatzung wie durch die Franzosen oder Amerikaner bewirkt wurden, konnten sich nur vollziehen, weil sie in Deutschland irgendwann auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Selbst im Falle der „Reeducation“, die von vielen Deutschen nach 1945 zunächst als beleidigende Schmach empfunden wurde – und von heutigen Rechtsauslegern noch immer als solche empfunden wirde, gilt Gleiches. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Die chinesische Kulturrevolution war ein Jahrhundertverbrechen

Von dem niederländischen Historiker Frank Dikötter stammt das Standardwerk über den „Großen Sprung nach vorn“, bei dem unter der Herrschaft Mao Zedongs zwischen 1958 und 1962 rund 45 Millionen Chinesen den Tod fanden: größtenteils durch Hunger, mindestens zweieinhalb Millionen aber durch Misshandlung, Folter und andere Gewaltmaßnahmen und eine unbekannte Zahl durch Selbstmord. In seinem neue Buch „Mao und seine verlorenen Kinder“ der Großen Proletarischen Kulturrevolution zu, die Mao 1961 initiierte und die bis zu seinem Tod andauerte. Im Vergleich zu den Verheerungen des „Großen Sprungs“ verlief die Kulturrevolution milde, an allen anderen Maßstäben gemessen, war sie ein Jahrhundertverbrechen. In den zehn Jahren der Revolution zwischen 1966 und dem Tod Maos 1976 wurden zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Menschen getötet; ebenso viele trugen dauerhafte körperliche Schäden davon.

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Unter der Umerziehung des Partners leidet die Liebe

Kaum sind die Flitterwochen der Liebe vorbei, beginnt bei vielen Paaren das Umerziehungsprogramm: Der andere soll sich ändern und sich den eigenen Vorstellungen anpassen. Christian Thiel warnt: „Doch das funktioniert nicht. Je mehr wir am anderen herumkritisieren, desto mehr leidet die Liebe. Und ändern tut sich der andere auch nicht.“ Man sollte also seinen Partner besser so lieben, wie er ist. Wenn sich zwei Menschen lieben, bedeutet das auch, den anderen zu akzeptieren. Da gibt es kein Wenn und Aber. Sich zu lieben heißt, Ja zueinander zu sagen. Die allermeisten Menschen wollen so geliebt werden, wie sie sind: mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Vorzügen und Fehlern, mit ihren starken und schwachen Momenten. Christian Thiel ist freier Autor und Single- und Paarberater.

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Den Ausgleich von Leid nennt man Rache oder Vergeltung

Wenn jemand einem anderen Menschen wissentlich Leid zufügt, verspürt das Opfer Empörung, Groll oder sogar Hass. Solche Empfindungen verlangen, dass etwas geschieht: ein Ausgleich von Leid, der zur Besänftigung des Zorns beiträgt. Peter Bieri erklärt: „Diesen Ausgleich nennen wir Rache oder Vergeltung. Das ist es, was die Opfer von den Richtern erwarten: dass sie den Täter hinter Gitter bringen und so Leid mit Leid vergelten.“ Wer ein mildes Urteil ungerecht nennt, dann meint er: Das ist nicht Leid genug, um begangenes Leid aufzuwiegen. Und auch wenn Menschen ohne Richter Vergeltung üben, sprechen sie manchmal von Gerechtigkeit. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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