Friedrich Ebert wird von Max von Baden zum Reichskanzler ernannt

Friedrich Ebert, der vom Prinzen Max von Baden zum Reichskanzler ernannt wurde, stand seit dem 9. November 1918 einer Übergangsregierung, dem „Rat der Volksbeauftragten“ vor, der einen Tag später von der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte bestätigt wurde. Ulrich Herbert erklärt: „Sein Hauptziel war zunächst die Eindämmung jener revolutionären Dynamik, der er seine eigene Machtübernahme verdankte. Um Ordnung, Sicherheit und Wohlfahrt herzustellen, wurden daher bereits in den ersten Tagen der Revolution vier Grundsatzentscheidungen getroffen, welche die weitere Entwicklung der deutschen Revolution nachhaltig prägten.“ Entscheidend war hier zunächst die Kontinuität der Behördentätigkeit: Polizei und Krankenhäuser, Finanzämter und Ministerialbürokratie sollten weiterarbeiten. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Die Unternehmen akzeptierten den Achtstundentag

Auf politische Säuberungen beim Personal der Behörden wurde verzichtet. Friedrich Ebert erklärte: „Ein Versagen der Organisation in dieser schweren Stunde würde Deutschland der Anarchie und dem schrecklichsten Elend ausliefern.“ Die neue Regierung brauchte die bürgerlichen Fachleute und wäre ohne diese auch gar nicht in der Lage gewesen, zum Teil weitreichende Maßnahmen in der Innen- und Außenpolitik zu ergreifen. Eine Demokratisierung der Verwaltung, angesichts der Kräfteverhältnisse im November 1918 durchaus möglich, war für die SPD angesichts der anstehenden Aufgaben nicht vordringlich.

Die zweite Entscheidung betraf die Wirtschaft. Die Unternehmen akzeptierten die Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge mit den Gewerkschaften, den Achtstundentag und die Bildung von Betriebsräten. Ulrich Herbert fügt hinzu: „Die Gewerkschaften ihrerseits akzeptierten etwas, das sie gar nicht infrage gestellt hatten, nämlich das Prinzip des Privateigentums an Produktionsmitteln.“ Eine Eigentumsrevolution wie in Russland war angesichts der Haltung der Gewerkschaftsführung nicht mehr zu befürchten.

Das Militär erkennt die neue Regierung an

Die dritte Entscheidung betraf das Militär. Es schien Friedrich Ebert dabei vordringlich, sich der Loyalität der alten Reichswehr zu vergewissern und die Oberste Heeresleitung zur Anerkennung der neuen Regierung zu bewegen. Das gelang auch. Bereits am 10. November traf Friedrich Ebert mit dem obersten Militär General Wilhelm Groener eine Vereinbarung, in welcher die Oberste Heeresleitung den Rat der Volksbeauftragten als rechtmäßige Regierung anerkannte und ihm ihre Unterstützung zusagte.

Diese Entscheidung war bei den Arbeitern und Soldaten von Beginn an sehr umstritten, brachte sie doch im der Obersten Heeresleitung genau jene Kräfte wieder ins Spiel, gegen die sich ihre revolutionäre Erhebung in erster Linie gerichtet hatte. Ulrich Herbert ergänzt: „Auf der anderen Seite sah Friedrich Ebert mit dieser Vereinbarung die Möglichkeit, eine Konfrontation der prorepublikanischen Kräfte mit der Reichswehr zu vermeiden – eine Konfrontation, die wie in Russland zum Bürgerkrieg führen und in einer Katastrophe enden könnte.“ Quelle: „Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert“ von Ulrich Herbert

Von Hans Klumbies