Der Literaturkalender 2022 weckt Erinnerungen

Diesmal dreht sich im „Literatur Kalender 2022“ alles um Momente der Erinnerung, die manchmal Haltepunkte im Leben sind. Dabei kann es sich um eine Reise, eine vergangene Liebe, ein wichtiges Gespräch oder einen Sonnenuntergang am Meer handeln. Einen Moment lang befindet sich der Erinnernde an einem anderen Ort, sei es das Haus der Kindheit, versunken in eine Melodie oder in ein Buch. Erinnerungen sind manchmal glücklich, können jedoch auch tief traurig sein. Wie zum Beispiel diese Zeilen aus dem Gedicht „Du hast Spanien gehasst“ von Ted Hughes, des Mannes von Sylvia Plath. Er veröffentlichte es in seinen „Birthday Letters“ 35 Jahre nach ihrem Suizid und kurz vor seinem eigenen Tod: „ …Ich sehe dich im Mondlicht, Den leeren Kai von Alicante entlanggehen, Wie eine Seele, die auf die Fähre wartet, Eine neue Seele, die noch immer nicht versteht, Die denkt, es sei noch immer deine Hochzeitsreise In der glücklichen Welt, dein ganzes Leben noch vor dir, Glücklich, und alle deine Gedichte warteten noch auf dich.“

Tanger zog junge Künstler aus den USA und Europa an

Fröhlich in Tanger: Es war die Magie des Ortes an der nordafrikanischen Atlantikküste, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine junge Generation aus den USA und Europa anzog. Darunter waren unter anderem die Schriftstellerin Jane Bowles (1917 – 73), ihr Mann der Komponist Paul Bowles, der Dramatiker Truman Capote und der Fotograf Cecil Beaton. Jane Bowles schreibt: „Alles ist anders, seit Truman Capote hier ist … Un die Anwesenheit von Cecil auf dem Hügel gegenüber hat uns gerade noch gefehlt, damit sich ganz Afrika auf und davon macht.“

Jane Bowles fährt fort: „Ich habe deshalb das Gefühl, Paris – auch wenn ich nicht hingefahren bin –, dass Paris hergekommen ist, und das ist vielleicht gut so. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass ich mich unwohl in meiner Haut fühle, so schüchtern und unsicher bin ich wie eh und je … dass ich immer noch 4 Drinks brauche, um locker zu werden, gibt mir fast schon das Gefühl, wieder jung zu sein. Ich bin, was das angeht, so unverwüstlich wie ein Panzerwagen.“ Jane Bowles an Katharine Hamill, Tanger, Sommer 1949.

Schriftsteller der Weltliteratur erinnern sich

Anna Seghers erinnert sich im zerstörten Berlin 1947 an ihr mexikanisches Exil: „… ich selbst habe das Land, das mir eine Art Adoptivmutter geworden ist, von Herzen liebgewonnen, man kann es nicht beschreiben. Es ist wie ein anderer Stern, es hat nichts mit hier zu tun, wenig mit Europa. … Ich war quer durch Mexiko bis an die Pazifische Küste: Urwald, Plantagenhaine, dazwischen kann man tagelang gehen oder reiten oder Autofahren durch völlig unbebaute und unbewohnte Mondgebirgslandschaften.“

Ein Sommerhaus im litauischen Nidden auf der Kurischen Nehrung und die Natur, die es umgab, war der Traum des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann: „Immer wieder überkommt mich hier der Eindruck des Elementarischen, wie ihn sonst nur das Hochgebirge oder die Wüste hervorruft. Die Farbenpracht ist unvergleichlich, wenn der Osthimmel das Feuerwerk des westlichen widerspiegelt.“ Alle Autoren, die im Literaturkalender von ihren Erinnerungen erzählen, gehören zum Kanon der Weltliteratur. Dazu zählen unter anderem Simone de Beauvoir, Elias Canetti, Marguerite Duras, Nadine Gordimer, Günter Grass, Heinrich Heine, Herman Melville, Robert Musil, Marcel Proust und viele andere. Der Literatur Kalender wurde in der Kategorie „Bester Longseller“ mit dem Kalenderpreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Der Literatur Kalender 2022
Momente der Erinnerung
Texte und Bilder aus der Weltliteratur
Elisabeth Raabe (Hg.)
Gestaltet von Max Bartholl
Verlag: edition momente
60 Blätter / 53 Fotos / farbig / ISBN: 978-3-0360-2022-0, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies