In Deutschland gibt es nicht nur exzellenten Riesling

Aldo Sohm liebt trockenen Riesling mit seiner fokussierten, mineralischen, herzhaften Komplexität. Er wundert sich aber, warum nicht mehr Weintrinker den halbtrockenen Riesling-Kabinett zu schätzen wissen. Aldo Sohm und Christine Muhlke wissen: „Sie sind fantastisch als Speisenbegleiter für thailändische und koreanische Küche und Sushi, sie altern hervorragend, sind aber nie extrem teuer.“ Süßere Spätlesen und Auslesen sind etwas aus der Mode gekommen. Deswegen kauft Aldo Sohm diese vermehrt aus 70er- und 80er-Jahrgängen. Sie werden mit dem Alter trockener und gewinnen eine magische Komplexität. In Deutschland gibt es aber nicht nur Riesling. Auch der Spätburgunder, ein spät reifender Klon der Pinot Noir mit Geschmacksnoten von schwarzem Pfeffer, ist lohnenswert. Der Österreicher Aldo Sohm ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt, eine Legende seiner Branche. Christine Muhlke ist Redakteurin des Feinschmecker-Magazins „Bon Appétit“.

Der steilste Weinberg im Moseltal hat eine Steigung von 65 Prozent

Pinot Noir hat eine lange Geschichte in Deutschland, da schon die Zisterziensermönche des Clos de Vougeot in ihrem Kloster im Rheingau Weinbau betrieben. Angesichts des immer wärmeren Klimas profitiert Deutschland von seiner nördlichen Lage. Dies gilt besonders für Franken, Ahr, Rheingau, Pfalz, Rheinhessen und Baden. Aldo Sohm stellt fest: „Die von dort stammenden Pinots sind nicht mit denen aus Burgund vergleichbar. Denn die andersartigen Böden bringen andere Facetten dieser Sorte zum Ausdruck.“

Hier zeichnen sie eine gewisse kalten Rauchigkeit wie ein gerade erloschenes Lagerfeuer sowie Noten von schwarzem Pfeffer aus. Im nördlichen Moseltal liegen die steilsten Weinberge der Welt. Dort trifft die Sonne im perfekten Winkel auf die Trauben, die so im kühlen Klima ausgezeichnet reifen und den Winzern ermöglichen, Riesling in seiner feinsten und reinsten Form zu erzeugen. Der steilste Weinberg ist der Bremmer Calmont mit 65 Grad Steigung. Die Lieblingswinzer von Aldo Sohm in der Region sind Franzen und Stein.

Egon Müller ist der berühmteste Rieslingerzeuger

Die Saarregion ist kühler, und die Weine sind entsprechend säurereicher. Daher bereitet man sie immer mit etwas Restzucker, um sie weicher zu machen. Aldo Sohm ergänzt: „In den immer wärmeren Jahrgängen der letzten Jahre sind die Winzer dazu übergegangen, die Weine so zu vergären, dass sie trockener werden.“ Die Region ist zudem bekannt für Weine mit merklichem Restzuckergehalt – also halbtrockene und süße Weine. Die Saar ist auch bekannt für den berühmtesten aller Rieslingerzeuger, Egon Müller vom Scharzhofberg.

Die Weine des recht kleinen Anbaugebiets Nahe vereinen die Qualitäten von Mosel und Rheingau, und das zu recht günstigen Preisen. Aldo Sohm erläutert: „Rieslinge von der Nahe sind rassig wie Moselweine mit der Substanz von Rheingauweinen. Hier legt man mehr Wert auf Qualität als auf Quantität.“ Bei deutschem Wein denkt man typischerweise an den historischen Rheingau. Die Region ist wärmer als die Mosel, die Weine sind daher etwas kraftvoller und haben mehr Substanz am Gaumen. Quelle: „Einfach Wein“ von Aldo Sohm mit Christine Muhlke

Von Hans Klumbies