Die Kultur des Erinnerns bestimmt die Gegenwart

Der Mensch, der nicht vergessen, der Unglück, Enttäuschung, Bitterkeit, Hass nicht hinter ich lassen kann, findet keinen Zugang zur Zukunft. Ihm bleiben der Aufbruch, die Erneuerung, das Fortschreiten verschlossen. Paul Kirchhof weiß: „Die Kultur des Vergessens war jahrhundertelang die Bedingung von Friedenschlüssen.“ Nach Ende des 1. Weltkriegs vereinbarte man im Versailler Vertrag jedoch ein Erinnern. Diese Kultur des Erinnerns, der nachhaltigen Zuweisung von Verantwortung, bestimmt das Denken der Gegenwart. Wer die Vernichtungskraft moderner Waffen und Kriege vor Augen hat, wird erkennen, dass ein Krieg zur Selbstzerstörung führt, deshalb zu verhindern ist. Allerdings darf man das Erinnern der Kriegsfolgen, insbesondere die Ausgleichspflichten, nicht über Generationen hinweg verlängern. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.

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Friedrich Nietzsche schaut nicht zurück

Es gibt Menschen, für deren Selbstentwurf die Zukunft wichtiger ist als die Vergangenheit. Diese Personen fragen nicht danach, was war. Stattdessen interessieren sie sich dafür, was werden wird und werden soll. Svenja Flaßpöhler gehört eher zu jenen, die zurückschauen, sich erinnern, das Gewesene immer wieder von allen Seiten betrachtet. Friedrich Nietzsche hätte sie für ihre Rückwärtsgewandtheit vermutlich verachtet. Svenja Flaßpöhler stellt sich die Frage, ob es nicht sein könnte, dass nur, wer sich ausreichend erinnert, im guten, ja tiefen Sinne vergessen und also verzeihen kann. Genau dieser Ansicht ist der französische Philosoph Paul Ricoeur, ein stark an Sigmund Freud orientierter Denker. Dr. Svenja Flaßpöhler ist seit Dezember 2016 leitende Redakteurin im Ressort Literatur und Geisteswissenschaften beim Sender „Deutschlandradio Kultur“.

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Denken und Träumen können ineinander übergehen

Auf der Schwelle zum Schlaf und den Träumen befindet man sich in einem Zustand des freien Assoziierens. Denken und Träumen können laut David Gelernter ineinander übergehen. Die Grenze zwischen Denken und Träumen ist ein faszinierender, wenig bekannter Teil des Geistes. David Gelernter erklärt: „Dass Träume Halluzinationen sind, wissen wir alle; aber der besondere Charakter der geistigen Aktivität beim Einschlafen bzw. des hypnagogischen Denkens, das zum Schlaf führt, ist nicht allgemein bekannt.“ Bekannt dagegen ist, dass der hypnagogische Zustand durch lockeres oder freies Assoziieren gekennzeichnet ist, das man als „Bewusstseinsstrom“ beschreiben könnte.“ Aber das ist es nicht allein; oft treten in diesem Zustand auch einzelne, kurze Halluzinationen auf. Sich im „Wachtraum“ zu befinden, traumähnliche Halluzinationen zu erleben, während man noch wach ist, aber am Rande des Schlafes steht – genau das ist der Charakter des Einschlafgedankens. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Computer können keine Subjektivität herstellen

Mit Philosophen wie John Searle, Thomas Nagel und Colin McGinn ist David Gelernter der ketzerischen Meinung, dass Computer nicht in der Lage sind, Subjektivität herzustellen – die Welt im Kopf eines Menschen, ein eigenes Seelenleben, eine eigene private geistige Landschaft, durch die kein anderer wandern kann. Ein Computer beziehungsweise Roboter hat kein Bewusstsein für Glück. Es gibt keinen Geist in der Maschine, keine menschliche Geistesgegenwart. Dennoch übersteigt die Leistungsfähigkeit des Computers die menschliche Vorstellungskraft. David Gelernter stellt fest: „Wir glauben, mit der künstlichen Intelligenz der Schöpfung eines übernatürlichen Geistes beizuwohnen und den Stein der Weisen gefunden zu haben. In Wirklichkeit verstehen wir bis heute das Bewusstsein nicht. Wir können Subjektivität nicht erklären, vielleicht werden wir es nie können.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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